1914/2014: Französin stellt Ersten Weltkrieg mit Strick-Figuren nach

Roubaix (APA/AFP) - „Es gibt nichts Besseres als einen Faden, um eine Verbindung herzustellen.“ Zwischen Wollknäuel und Stricknadeln wirbt A...

Roubaix (APA/AFP) - „Es gibt nichts Besseres als einen Faden, um eine Verbindung herzustellen.“ Zwischen Wollknäuel und Stricknadeln wirbt Anna für eine andere, ungewöhnliche Art des Gedenkens an den Ersten Weltkrieg: Zusammen mit 600 Frauen und einem Mann aus verschiedenen Ländern strickt die Französin derzeit hunderte kleine Soldaten-Figuren, um die verheerenden Schlachten des Ersten Weltkrieges nachzubilden.

„Dieses Projekt hat Verbindungen geschaffen - ohne eine erdrückende Kriegsstimmung“, sagt sie. Das Werk ist für eine Ausstellung vorgesehen. Anfangs hatte Anna gezögert, als das Museum La Piscine im nordfranzösischen Roubaix ihr zum hundertjährigen Gedenken an den Ersten Weltkrieg das Projekt antrug. Sie hatte „Angst, dass es eine Diskrepanz gibt zwischen dem Ernst des Themas und dem etwas lächerlichen Wesen des Strickens“, gesteht sie rückblickend.

Die Bloggerin, die ihren Familiennamen nicht nennen will, hatte zu diesem Zeitpunkt mit ihren Strick-Figuren bereits eine gewisse Berühmtheit erlangt, hatte sie doch seit 2011 aktuelle politische Ereignisse wie die Sex-Affäre um Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn oder das Tandem „Merkozy“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy „nachgestrickt“. Ihre Puppen zeigt sie im Internet, wo sie ihre feste Fan-Gemeinde hat.

Nachdem Anna über die Gräberfelder der Somme in Nordfrankreich gegangen war, wo im Ersten Weltkrieg hunderttausende Franzosen, Briten und Deutsche ums Leben gekommen waren, stimmte sie dem Ausstellungsprojekt in Roubaix zu: „Wenn man sich (den Gräbern) nähert, dann sieht man das Alter der Soldaten, das waren Jungs.“ Sie habe sich dann überlegt, dass „man eine möglichst große Armee macht und mit den kleinen Figuren aus Wolle ihre Verletzlichkeit zeigt“.

Auf 17 Metern Länge will Anna 750 Strick-Soldaten aufbauen. Von Anfang an legte sie Wert darauf, dass ihr Projekt nicht zu einem „patriotischen Gedenken“ wird. Nach einem Aufruf im Internet erhielt sie binnen drei Tagen hunderte Antworten und wählte 600 Strickerinnen und einen Mann aus allen Teilen der Welt aus.

Als erste Deutsche meldete sich Christiane Dreher. Die im südfranzösischen Cannes wohnende Autorin war „sofort gepackt von der Idee“, durch die 15 Zentimeter großen, mit Watte ausgestopften Figuren den Irrsinn des Krieges zum Ausdruck zu bringen. Winzige Wolljäckchen strickt sie nun für die Soldaten-Püppchen: „Die kleine Gestalt wird plötzlich ganz lebendig, ganz berührend.“ Beim Stricken habe sie viel an diese jungen Soldaten denken müssen: „Die Deutschen und die Franzosen haben genauso gelitten.“

Auch die Chemikerinnen Diana Eggers und Victoire Goust in Stuttgart stricken kleine Uniformen und Hosen für das Projekt. „Das ist eine ganz andere Art und Weise, sich dem Thema Krieg zu nähern“, meint Eggers. Mit ihrer französischen Arbeitskollegin zusammen will sie zu Annas Ausstellung „Wool War One“ (in etwa: Erster Woll-Krieg) fahren, die am 15. Dezember in der Textilstadt Roubaix eröffnet wird. Auch wenn die meisten Figuren in der Ausstellung französische Soldaten sein werden, so sind doch neben Deutschen auch Belgier, Russen, US-Amerikaner, Brasilianer, Senegalesen oder Chinesen dabei.

Über Facebook stehen die beteiligten Frauen aus den verschiedenen Ländern miteinander in Kontakt. Hinweise auf Bücher oder Artikel zum Ersten Weltkrieg werden gegeben, alte Postkarten und Briefe werden ausgetauscht oder Familiengeschichten erzählt. „Das macht das Projekt so persönlich, berührend und lebendig“, sagt Christiane Dreher und fügt nachdenklich hinzu: „Wir alle stricken klitzekleine Jäckchen, Helme, Schuhe, Gürtel und Taschen für die Stricksoldaten - wie einst Frauen vor hundert Jahren Socken für die Soldaten an der Front strickten.“