Milliardenstrafe, Sanktionen, Blutvergießen - Putin in der Klemme

Moskau/Kiew (APA/dpa) - Kremlchef Putin gerät wegen seiner Ukraine-Politik zunehmend in die Klemme. In der Ostukraine läuft es nicht nach se...

Moskau/Kiew (APA/dpa) - Kremlchef Putin gerät wegen seiner Ukraine-Politik zunehmend in die Klemme. In der Ostukraine läuft es nicht nach seinem Wunsch. Der Westen verschärft die Sanktionen. Und jetzt das Yukos-Milliarden-Urteil.

Es ist eine schwere Zeit für Kremlchef Wladimir Putin: Zum ersten Mal verurteilt ein Gericht - in Den Haag - Russland für sein stets umstrittenes Vorgehen gegen den einst größten Ölkonzern Yukos. Die Rechnung für die russische Justiz: 37,2 Milliarden Euro. Und auch sonst läuft es nicht rund für Putin. Der Westen fordert weiter einen Kurswechsel in der russischen Ukraine-Politik und droht mit neuen Sanktionen. Wie geht es weiter?

Wird sich Russland im Fall Yukos mit der Niederlage vor dem Schiedsgerichtshof in Den Haag abfinden?

Russland will Einspruch gegen das Urteil einlegen, um seine Position zu verteidigen. Die Russen sehen sich im Recht, damals vor allem wegen Steuerhinterziehung gegen Yukos vorgegangen zu sein. Wenn die Yukos-Eigentümer am Ende ihr Geld bekommen, wäre das aber eine beispiellose politische Niederlage für Wladimir Putin. Das Geld - 50 Milliarden Dollar oder 37,2 Milliarden Euro - müsste aus der Staatskasse kommen. So viel hatten allein in etwa die Olympischen Winterspiele in Sotschi gekostet. Das wäre nicht nur politisch ein schwerer Schlag für Putin, der die Yukos-Manager sogar des Mordes beschuldigt hatte. Es wäre vor allem eine riesige Last für die ohnehin angeschlagene Wirtschaft des Riesenreichs.

Wird Russland am Ende das Geld zahlen?

Bei den für die russische Politik oft peinlichen Verurteilungen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zahlt Moskau in der Regel die dort festgelegten Strafen. Mit dem Verfahren in Den Haag hat Moskau allerdings das Problem, sich dort nicht ausreichend juristisch vertreten zu sehen. Wenn Russland die Rechtmäßigkeit des Prozesses nicht akzeptiert, wird es auch nicht zahlen. Festgelegt ist zunächst vom Gericht in Den Haag, dass das Geld bis 15. Januar 2015 zu zahlen ist. Danach werden Zinsen fällig.

Hat der frühere Yukos-Chef Michail Chodorkowski - ein Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin - etwas von den Milliarden? Ist er der Sieger?

Ein doppeltes Nein. Als der Ex-Yukoschef im Straflager im Dezember ein Gnadengesuch an Präsident Wladimir Putin stellte, schrieb er in dem Brief auch, dass er keinen Schadenersatz fordere. Der Kreml wertete das Gesuch zudem als Schuldeingeständnis - obwohl Chodorkowski seine Unschuld beteuert. Der Unternehmer hatte sich auch von dem Verfahren der Ex-Yukos-Eigentümer distanziert. Als Kläger in Den Haag trat die Group Menatep Limited (GML) auf, die einst Hauptaktionär des von Chodorkowski geführten Yukos-Konzerns war. Der einst reichste Russe hatte seinen Anteil an GML schon 2005 verkauft. Trotzdem begrüßte Chodorkowski den Richterspruch. Er selbst hatte vor dem Gerichtshof in Straßburg geklagt - bisher aber ohne den entscheidenden Erfolg. Das Vorgehen gegen Chodorkowski ist bis heute von keinem Gericht als politisch eingestuft worden.

Was bedeutet das Yukos-Urteil für Russland in der aktuellen politischen Lage?

Es bestärkt Moskaus Machthaber wohl vor allem in ihrem Gefühl, dass im Moment der Westen voll auf Konfrontationskurs sei und Russland und seinen Kremlchef Wladimir Putin in die Knie zwingen wolle. Russland sieht sich wegen der Unterstützung von Separatisten in der krisengeschüttelten Ostukraine international am Pranger. EU und USA verhängen immer neue Strafmaßnahmen. Und jetzt noch die Milliardenrechnung aus Den Haag. Der Richterspruch sei politisch motiviert und eine Art einer weiteren Sanktion gegen Russland, schimpft der Duma-Abgeordnete Wladimir Pligin von der Kremlpartei Geeintes Russland. „Das ist ein gegen unser Land gerichtetes Urteil - und kann nicht akzeptiert werden“, sagte Pligin.

Wie reagiert Russland auf die Sanktionen und ändert es seinen Kurs?

Die russische Wirtschaft leidet ohnehin gerade unter einer Rezession. Da schaden die Sanktionen zusätzlich. Sie trüben vor allem das Investitionsklima. Mit Gegenmaßnahmen hält sich Moskau aber bisher zurück. Experten warnen aber, dass eine zunehmend als aggressiv empfundene Politik des Westens zu einer Gegenreaktion führen könnte. Es sieht kaum danach aus, dass Russland von seinem Kurs abweicht - und sich gegen die prorussischen Separatisten in der Ostukraine wendet. Moskau fordert vielmehr weiterhin eine Waffenruhe sowie Friedensgespräche für ein Ende der Krise - statt einer Fortsetzung des Krieges.

Wie ist die militärische Lage in der Ostukraine?

Unabhängige Berichte aus dem Konfliktgebiet gibt es nicht. Doch deuten Informationen darauf hin, dass erstarkte ukrainische Truppen einen Korridor quer durch das Separatistengebiet erkämpfen wollen. Deshalb wurden Gefechte aus den Städten Gorlowka, Schachtjorsk und Tores gemeldet. Damit wäre die Millionenstadt Donezk als Zentrum der separatistischen „Volksrepublik Donezk“ weiträumig eingekesselt und vom zweiten Rebellengebiet Lugansk getrennt. Bei diesem Vormarsch nimmt die Ukraine keine Rücksicht auf ihre Zusage einer Feuerpause 40 Kilometer um die Absturzstelle von Flug MH17 bei dem Ort Grabowo.

Die Aufständischen versuchen, sich nicht von der Grenze zu Russland abdrängen zu lassen. Von dort erhalten sie nach ukrainischen wie US-amerikanischen Angaben ihren Nachschub. Mit einer möglichen Schwächung der Separatisten wächst das Risiko, dass Russland seine Unterstützung aufstockt oder selbst in die Kämpfe eingreift.

Was bedeutet das für den Hilfseinsatz an der Absturzstelle?

Solange die Kämpfe dauern, sitzen große Teams niederländischer und australischer Experten sowie OSZE-Beobachter in Donezk fest. Die Separatisten konnten ihnen schon keinen sicheren Zugang mehr zur Absturzstelle gewährleisten. Je mehr Tage vergehen, desto schwieriger wird eine Bergung von Leichen oder Leichenteilen, die noch nicht gefunden worden sind. Einzelne Wrackteile seien bereits verschleppt worden, heißt es. Nun verändern Bombeneinschläge und Panzerspuren der Regierungstruppen die Landschaft. Das macht es schwerer, mögliche Beweise für die Absturzursache zu sichern.