Bühne

Kampf gegen Hiroshimas Schatten

Mit den Mitteln des japanischen Butoh-Tanzes wird gegen das Hiroshima-Trauma angetanzt.
© Bozzo

Wien – Drei Tänzer, deren athletische, um Arme, Beine und Kopf beraubte Rückenansicht an bronzefarbene Skarabäen erinnert, eröffnen die unte...

Wien –Drei Tänzer, deren athletische, um Arme, Beine und Kopf beraubte Rückenansicht an bronzefarbene Skarabäe­n erinnert, eröffnen die unter dem Zeichen des Todes stehende zweiteilige Performance DEAD 1/Enthusiastic Dance on the Grave. Sie lassen mit dem Muskelspiel Gesichter entstehen, beginnen unter an Urlaute gemahnenden Geräuschen, sich langsam, die Gliedmaßen streckend, zu erheben, um in der Folge immer wieder fatal zu stürzen. „Kopfüber“ soll dieser Tanz der drei Toten stattfinden, so der Schöpfer des Abends, der seit Langem dem Wiener ImPulsTanz-Festival verbundene japanische Choreograf und Tänzer Ko Murobushi. In der am Montag im Akademietheater zur Uraufführung gebrachten „Vienna Version“ seiner beiden Stücke nähert sich einer der Pioniere des Butoh, jenes in den 1950er-Jahren entstandenen „Tanzes der Finsternis“, der eine bis heute künstlerisch hochbedeutende japanische Tanzmoderne einleitete, mit verzweifelter Ästhetik dem Tod. Umkreisen die aus Südamerika stammenden Tänzer im ersten Teil mit fast quälender Körperbeherrschung die Unvermeidlichkeit des Sterbens, so scheinen sich die fünf Tänzer und Tänzerinnen des zweiten Stückes unter konvulsivischen Zuckungen dem Tod zu widersetzen. Allesamt sind sie in wehendes Weiß gehüllt, die Trauerfarbe des asiatischen Raumes, und kämpfen mit den experimentellen Mitteln des Butoh gegen das an, was Murobushi als „Kern des Butoh“ bezeichnet, gegen die „Schatten von Hiroshima“. Tief eingeschrieben wird das Trauma in Bewegungen, Verrenkungen, in das Taumeln und Fallen dieses Totentanzes, der den Lebenden wie dem Gedenken an die Toten gilt. Mit Lust und bemerkenswerter Präzision liefern sich die fünf japanischen Performer der äußerst fordernden Choreografie aus, entwickeln Individuen, die sich sehr berührend den letzten Dingen, den letzten Fragen stellen. Großer Applaus für Ko Murobushi und sein Ensemble. (lietz)