Argentinien droht im Streit mit „Geierfonds“ die Pleite
Buenos Aires (APA/Reuters) - Argentinien droht zum zweiten Mal binnen zwölf Jahren die Staatspleite. Wenn das Land diese Woche nicht zu eine...
Buenos Aires (APA/Reuters) - Argentinien droht zum zweiten Mal binnen zwölf Jahren die Staatspleite. Wenn das Land diese Woche nicht zu einer Einigung mit Gläubigern kommt, ist es wieder soweit.
Bereits 2002 musste Argentinien in Folge einer Wirtschaftskrise die Zahlungsunfähigkeit erklären. Schauplatz des neuen Dramas ist New York. Dort haben mehrere Hedgefonds Forderungen in Höhe von 1,33 Mrd. Dollar (989,58 Mio. Euro) plus Zinsen vor Gericht erstritten.
Sie hatten einen Schuldenschnitt für die in Dollar ausgegeben Anleihen des Landes nicht mitgemacht. Mit der Mehrzahl der Gläubiger hatte sich Argentinien dagegen arrangiert und damit die Krise zwischenzeitlich entschärft.
Die von der Regierung in Buenos Aires als „erpresserische Geierfonds“ geschmähten Gläubiger lauern nun auf eine volle Auszahlung der Schuldtitel: Der zuständige US-Richter hat einen Mediator eingeschaltet und Argentinien eine Frist bis zum 30. Juli gesetzt, sich mit den Klägern zu einigen. Beide Seiten pokern aber bis zur letzten Sekunde. Die Fonds wollen nach langem Rechtsstreit endlich Geld sehen. Doch Argentinien befürchtet weit höhere Kosten, wenn es sich darauf einlässt: Eine Prozesslawine weiterer Gläubiger könnte Nachzahlungen von 400 Mrd. Dollar ins Rollen bringen.
„Derzeit sieht es nicht nach einer Einigung aus“, meint Analyst Mauro Roca von der US-Investmentbank Goldman Sachs. Allerdings sollte noch am Montag ein Verhandlungsteam aus Buenos Aires in New York eintreffen.
Kommt es zum Zahlungsausfall, wird dies nach Ansicht von Experten jedoch nicht zu Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten führen. Denn Argentinien ist im Gegensatz zu 2002 nicht finanziell am Ende, sondern in eine Zwickmühle geraten: Solange die Hedgefonds nicht ausbezahlt werden, darf Argentinien keine Zinszahlung an die große Mehrheit der Anleihenbesitzer leisten, die sich nach der Staatspleite auf einen Schuldenschnitt einließen. Sie haben weniger als 30 Prozent ihrer ursprünglichen Forderungen bekommen. Wenn die Inhaber der neuen Bonds ihre Zinsen nicht bekämen, würde nach gut zwölf Jahren erneut der Zahlungsausfall festgestellt.
Die klagenden Fonds unter Führung von Elliott Management und Aurelius Capital Management haben signalisiert, dass sie diese Auszahlung nicht verhindern werden - wenn Argentinien Entgegenkommen zeigt. Doch das lateinamerikanische Land will nicht riskieren, dass die Umschuldungsrunden aus den Jahren 2005 und 2010 nachträglich kassiert werden. Mehr als 92 Prozent der Gläubiger hatten mitgemacht und zugunsten neuer Papiere auf 70 Prozent ihrer Forderungen verzichtet. Diese könnten das restliche Geld einfordern, falls andere Gläubiger besser gestellt werden. Die entsprechende Klausel in den Umschuldungsvereinbarungen ist aber nur noch bis Jahresende gültig.
Gelingt es der Regierung in Buenos Aires, die klagenden Gläubiger in New York bis über den Jahreswechsel hinzuhalten, ist der Paragraf erloschen. Die Versuchung für Argentinien, international als zahlungsunfähig eingestuft zu werden und gleichzeitig den alten Schuldenschnitt zu bewahren, ist damit groß. Von den internationalen Kapitalmärkten ist das Land ohnehin bereits abgeschnitten. Innenpolitisch könnte eine Staatspleite jedoch zu größeren Problemen führen: Die Inflationsrate von geschätzten 30 Prozent könnte weiter steigen und die Landeswährung Peso noch mehr unter Druck geraten. Dies dürfte im Volk böse Erinnerungen wecken: Nach der Jahrtausendwende war das Land wirtschaftlich immer tiefer in die Misere geraten. Als der IWF Argentinien wegen mangelnder Haushaltsdisziplin Milliardenhilfen versagte, schlitterte es 2002 in die Staatspleite. Nun könnte es wieder so kommen.
Doch womöglich werden die Kläger in letzter Minute doch noch zucken und sich mit Argentinien arrangieren: Mit einem Antrag auf Aussetzen des Verfahrens könnten sie der drittgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas eine goldene Brücke bauen. Damit wäre Argentiniens Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner in der Lage, die Verhandlungen Anfang Jänner 2015 fortzusetzen. Somit würde sie zugleich den am Schuldenschnitt beteiligten Gläubigern unweigerlich die Möglichkeit nehmen, auf Besserstellung zu klagen. Wegen der wenig verlockenden Aussicht auf einen weiteren länglichen Rechtsstreit könnten die klagenden Fonds in New York noch einknicken, meint Ökonom Alejo Costa von der Investmentbank Puente: „Sie haben bei einer Staatspleite mehr zu verlieren als zu gewinnen.“