Heftige Angriffe auf Gaza, Hamas offenbar zu Waffenruhe bereit
Im zentralen und südlichen Gazastreifen wurden am frühen Dienstag nach palästinensischen Angaben 30 Menschen getötet. Die Hamas prüft einen UNO-Vorschlag für eine Feuerpause.
Gaza – Die militanten Palästinenser im Gazastreifen sind zu einer 24-stündigen Waffenruhe bereit. Die radikalislamische Hamas und der Islamische Jihad hätten in Gesprächen einer „humanitären Waffenruhe“ für diesen Zeitraum zugestimmt, sagte der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Yasser Abed Rabbo, am Dienstag in Ramallah im israelisch besetzten Westjordanland.
Er rief „alle arabischen und internationalen“ Beteiligten dazu auf, die Waffenruhe zu unterstützen und Israel vollständig für die Folgen verantwortlich zu machen, sollte es die Feuerpause ablehnen. Abed Rabbo fügte hinzu, dass die drei Palästinenserorganisationen bereit seien, den Vorschlag der UNO für eine dreitägige Waffenruhe „in einem positiven Geist“ zu prüfen.
Beratungen in Kairo
Dem israelischen Nachrichtenportal „ynet“ zufolge stimmten die im Gazastreifen herrschende radikal-islamische Hamas sowie die radikale Palästinenserorganisation Islamischer Jihad einer 24-stündigen Waffenruhe zu, mit der Möglichkeit, diese um weitere 48 Stunden zu verlängern. Dies hätten die beiden Gruppen der Palästinensischen Autonomiebehörde versichert.
Der Vorschlag kam nur wenige Stunden bevor Vertreter der Hamas, der PLO und des Islamischen Jihad nach Kairo reisen sollten um über eine Lösung des Konflikts zu beraten. Nach einer ersten Weigerung hatte die Hamas am Sonntagnachmittag eine 24-stündige Waffenruhe erklärt, die Israel jedoch nicht offiziell akzeptierte.
Einziges Kraftwerk bei Beschuss getroffen
In der Nacht auf Dienstag verstärkte Israel dann seine Angriffe in dem schmalen Küstenstreifen, mindestens 30 Palästinenser wurden dabei getötet. Israels Premier Benjamin Netanyahu hatte zuvor angekündigt, die Offensive erst einzustellen, wenn alle Tunnel der Hamas zerstört sind.
Bei dem nächtlichen Beschuss wurde auch das einzige Kraftwerk in dem Küstenstreifen getroffen. Die Anlage steht in Flammen und ist seither außer Betrieb. Augenzeugen zufolge fiel der Strom aus, nachdem das Kraftwerk getroffen wurde. Die Anlage versorgt knapp ein Drittel der Haushalte im Gazastreifen mit Strom. Die Bewohner des Gebiets bekommen außerdem von Israel direkt Elektrizität, allerdings wurden nach Angaben des Behördenvertreters auch fünf der zehn Versorgungsleitungen jüngst durch Angriffe zerstört. Hier war es gleichfalls bisher unmöglich, in das Gebiet vorzudringen, um die Leitungen zu reparieren.
Rund zehn Prozent der Einwohner des Gazastreifens haben mittlerweile Zuflucht in Einrichtungen des UN-Hilfswerks UNRWA gesucht. 182.604 Menschen seien derzeit in 82 Anlaufstellen untergebracht, schrieb Chris Gunness, der Sprecher der Organisation auf Twitter. Die israelische Armee rief die Einwohner mehrerer Orte im Gazastreifen zur sofortigen Räumung ihrer Häuser auf. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warnte, die UN-Organisationen in Gaza seien überfordert und könnten keine zusätzlichen verzweifelten Menschen mehr versorgen.
Bei dem Beschuss des Al-Shifa-Krankenhauses im Gazastreifen, den sich Israelis und Palästinenser gegenseitig vorwerfen, waren am Montag mindestens drei Menschen getötet worden. Das Al-Shifa sei schon die vierte Gesundheitseinrichtung, die seit Beginn der Kämpfe Anfang Juli beschossen worden sei, teilte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen am Dienstag mit. Gleichzeitig kritisierte der Leiter der Projekte der Organisation in den Palästinensergebieten, dass Krankenhäuser im Gazastreifen derzeit keine sicheren Orte seien.
Iran wirft Israel Völkermord vor
Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, hat Israel vorgeworfen, im Gazastreifen einen „Völkermord“ zu verüben. Bei einer im Fernsehen übertragenen Rede anlässlich des islamischen Fests zum Fastenbrechen sagte er am Dienstag, Israel führe sich in dem Palästinensergebiet auf wie ein „tollwütiger Hund, ein wilder Wolf“ und greife Unschuldige und Kinder an.
Was die israelische Führung im Gazastreifen tue, sei „ein Völkermord und eine historische Katastrophe“, sagte Khamenei. Er rief die islamische Welt dazu auf, die Palästinenser zu „bewaffnen“, damit sie Israel bekämpfen könnten. Erst vor wenigen Tagen hatte sich die iranische Führung zur militärischen Aufrüstung der radikalislamischen Hamas bekannt, die den Gazastreifen beherrscht.
USA verstimmt wegen israelischer Kritik an Kerry
Die USA haben verstimmt auf israelische Kritik an den Bemühungen von US-Außenminister John Kerry reagiert, eine Waffenruhe im Gaza-Konflikt zu vermitteln. Außenamtssprecherin Jen Psaki beklagte am Montag in Washington eine bewussten Desinformationskampagne aus Israel. „Aus unserer Sicht ist das einfach nicht die Art, wie Partner und Verbündete miteinander umgehen“, sagte Psaki.
US-Sicherheitsberaterin Susan Rice sagte, die USA seien über Schilderungen in der israelischen Presse bestürzt, die die Bemühungen Kerrys nach ihren Worten in ein falsches Licht rückten.
Israelische Medien hatten zuvor Missfallen bekundet, dass sich der US-Außenminister auch mit Vertretern von Katar und der Türkei getroffen hatte und damit angeblich das Gleichgewicht in den Gesprächen zugunsten der Hamas verändert habe.
Die linksliberale Zeitung „Haaretz“ kritisierte, dass in dem Entwurf für eine Waffenruhe Israels Sicherheitsbedürfnisse praktisch nicht erwähnt worden seien. Beispielsweise müssten Raketen und schwere Waffen aus dem Gazastreifen abgezogen und „Terrortunnel“ zerstört werden, die vom Gazastreifen nach Israel führten. Ein Kommentator der „Haaretz“ bezeichnete das Vorgehen Kerrys als fahrlässig.
Psaki betonte am Montag, dass ein vertrauliches Ideenpapier aus dem Umfeld Kerrys offenbar an israelische Medien ging. Es habe sich bei dem Papier nie um einen offiziellen US-Vorschlag gehandelt. (APA/dpa/AFP/ Reuters)