Salzburger Festspiele - Ingo Metzmacher: „Friede, Freude, Eierkuchen“

Salzburg (APA) - Ingo Metzmacher ist ausgewiesener Experte für die Musik des 20. Jahrhunderts. Heuer aber wird er für Nikolaus Harnoncourt e...

Salzburg (APA) - Ingo Metzmacher ist ausgewiesener Experte für die Musik des 20. Jahrhunderts. Heuer aber wird er für Nikolaus Harnoncourt einspringen und mit „Fierrabras“ die erste Schubert-Oper in der Geschichte der Salzburger Festspiele dirigieren. Grund genug für die APA, dem 56-Jährigen folgende Fragen zu stellen:

APA: Herr Metzmacher, wie laufen die Proben? Immerhin haben Sie es mit Peter Stein zu tun, einem bekanntlich nicht immer einfachen Regisseur.

Metzmacher: Die Proben sind noch nicht allzu weit fortgeschritten, aber bisher laufen sie hervorragend. Peter Stein und ich kennen einander, wir haben bereits Henzes „Bassariden“ in Amsterdam und „Die Nase“ von Schostakowitsch in Zürich erarbeitet. Stein ist - neben der Tatsache, dass die Wiener Philharmoniker im Orchestergraben sitzen werden - der wichtigste Grund, warum ich diese Aufgabe übernommen habe. Was ich so an ihm schätze, ist, dass er sich wirklich für die Musik interessiert und zu musikalischen Proben kommt. Das machen nicht viele Regisseure. Stein hat wirklich erkannt, dass Szene und Musik in der Oper gleich wichtig sind.

APA: Hat Harnoncourt Ihnen bei der Vorbereitung helfen können oder wollen?

Metzmacher: Und ob. Wir haben ausführlich über das Stück gesprochen, und er hat mir sehr viele seiner Überlegungen großzügig überlassen. Er hat dieses Dirigat ja ausschließlich aus Altersgründen zurückgelegt.

APA: Wie ist Ihr Verhältnis zu Schubert und „Fierrabras“?

Metzmacher: Schubert begleitet mich mein gesamtes Musikerleben. Dieser Komponist ist ein Sonderfall, höchstens mit Janacek vergleichbar. Der Umgang mit Dur und Moll ist singulär. Ich habe viel Schubert auf dem Klavier gespielt, auch Liedbegleitung, es gibt sogar eine Platteneinspielung mit Matthias Goerne und mir. Den „Fierrabras“ habe ich bereits vor 20 Jahren in Brüssel gemacht. Ich halte diese Ensemble-Oper für ausgesprochen wertvoll. Immer haben mich Stücke interessiert, von denen gesagt wurde, sie gehörten nicht dazu. Bei so mancher Schwäche des Librettos kommen in dieser Oper Dinge vor, die es sonst nicht gibt.

APA: Welche?

Metzmacher: Die weit gespannten Pole zwischen dem liedhaften, von Sehnsucht getragenen Ton und den großen dramatischen Ausbrüchen, besonders am Ende des zweiten Aktes, sind spannend. Allein wegen dieser in es-Moll geschriebenen Stelle ist das Werk grandios. Dann gibt es Melodramen, also gesprochenen Text zur Musik. Und außerdem hat Schubert als erster im Sinne Wagners durchkomponiertes Musiktheater geschaffen. Dieser Komponist ist einer der ganz, ganz Großen.

APA: Aber im Repertoire festsetzen konnte sich der „Fierrabras“ bisher kaum, nur zögerlich wird er aufgeführt. Die übrigen 16 Singspiele und Opern Schuberts tun sich noch schwerer. Woran kann das dann liegen?

Metzmacher: Einerseits spielt so etwas wie ein musikalisches Label eine Rolle. Also Schubert steht für Lied und Kammermusik. Punkt. Dazu werden die h-Moll- und die große C-Dur-Symphonie gespielt, und das war‘s dann. Zum anderen fehlt ihm vielleicht wirklich das, was man Theaterpranke nennen könnte. Auch ich halte das „Fierrabras“-Finale für wenig geglückt. Er hat wohl geglaubt, mit dem Happy End eine Konvention erfüllen zu müssen, die ihm aber nicht lag. Versöhnung ist ihm wahrscheinlich schwer gefallen. Ein dramatisches Ende hätte seinem Wesen sicher mehr entsprochen als dieser „Friede-Freude-Eierkuchen-Schluss“.

APA: 2015 werden Sie in Salzburg wieder eine zeitgenössische Oper machen, und zwar die Uraufführung von György Kurtags „Endspiel“ nach Samuel Beckett. Wie viel von diesem Werk kennen Sie schon?

Metzmacher: Darüber zu reden ist eigentlich zu früh. Nur so viel: Ich besuche Kurtag regelmäßig, und er gewährt mir Einblick in seine Arbeit. Es ist absolut faszinierend, am Entstehen eines großen Werkes so nahe dran zu sein. Kurtag hat in den 50er-Jahren eine der ersten Vorstellungen dieses Beckett-Stückes in Paris erlebt. Seither, also den Großteil seines Lebens, hat er den Plan im Kopf, diese Oper zu schreiben. Sie könnte die Krönung seines Lebenswerks werden.

APA: Haben Sie dem Komponisten auch ein Feedback gegeben, das den Verlauf der Komposition beeinflussen könnte?

Metzmacher: Ich halte mich da sehr zurück und maße mir einen Eingriff in den Schaffensprozess nicht an. Dafür habe ich viel zu viel Hochachtung vor dem Komponisten.

(Das Gespräch führte Christoph Lindenbauer/APA)