„Pizzeria Anarchia“

Hausbesetzer wieder auf freiem Fuß, Einsatzkosten unklar

Anhaltende Kritik gab es auch am Tag nach der Räumung der „Pizzeria Anarchia“ in Wien-Leopoldstadt durch ein Großaufgebot der Polizei. Wie viel der Einsatz in dem besetzten Haus gekostet hat, soll im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage bekanntgegeben werden.

Wien – Alle 19 Hausbesetzer der „Pizzeria Anarchia“ in Wien-Leopoldstadt, die am Montagabend nach einem stundenlangem Polizeieinsatz festgenommen worden waren, sind wieder frei. Das sagte Polizeisprecher Roman Hahslinger am Dienstag der APA. „Sie wurden in der Nacht einvernommen und dann auf freiem Fuß angezeigt.“ „Rund die Hälfte der Festgenommenen“ sind laut Hahslinger deutsche Staatsbürger.

Die 19 Besetzer, 15 Männer und 4 Frauen, waren wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und versuchter schwerer Körperverletzung festgenommen worden. Genauere Angaben zu den Personen machte Hahslinger nicht, dies sei „nicht maßgeblich für die Sache“. Ebenfalls wieder in Freiheit waren am Dienstag zwölf Aktivisten, die wegen Verwaltungsübertretungen vor dem besetzten Haus festgenommen worden waren.

Ruhige Demo mit 150 Teilnehmern am Dienstag

Rund 150 Aktivisten sind am Dienstagabend bei einem Demonstrationszug durch den Bezirk Wien-Leopoldstadt gezogen, um gegen die Räumung des Hauses in der Mühlfeldgasse 12 zu protestieren. Die Demo verlief dabei ruhig und friedlich, berichtete Polizeisprecher Patrick Maierhofer, lediglich ein Böller wurde gezündet.

Seinen Ausgang nahm der Demonstrationszug vor der „Pizzeria Anarchia“, wo gegen 18.00 Uhr etwa 30 Aktivisten auf dem Gehsteig saßen, beobachtet von einem Aufgebot der Polizei. Später wuchs die Zahl der Teilnehmer an, weitere Sympathisanten gesellten sich unter anderem beim Donaukanal bei der Kunstmeile „Agora“ auf Höhe der Schwedenbrücke zu den Teilnehmern. Mit einigen Transparenten wie „Recht auf Stadt - Pizza bleibt“ ausgerüstet, ging es zuerst über den Ring und später Richtung Praterstern.

Einsatzkosten unklar

Am Dienstag wurde weiterhin diskutiert, wie verhältnismäßig der Polizeieinsatz war. Unklar blieb am Tag danach auch, wie viele Polizisten genau im Einsatz waren. Kolportiert wurden 1700 Beamten, diese Zahl wurde von der Polizei nicht bestätigt, Hahslinger sprach am Montag von „sicher nicht weniger als 1000“. In einem vorläufigen Vergleich kämen somit mehr als 50 Polizisten auf einen Hausbesetzer.

Zu Spitzenzeiten seien laut dem Sprecher jedenfalls 500 Beamte im Einsatz gewesen. Sowohl die genaue Zahl der Einsatzkräfte als auch die Kosten des von vielen als unverhältnismäßig kritisierten Einsatzes werden „im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage bekanntgegeben“, sagte Hahslinger. Zum Vergleich: Bei Protesten gegen den Akademikerball der FPÖ waren am 23. Jänner in Wien 2000 Exekutivbeamte im Einsatz, die Kosten dafür bezifferte die Polizei damals mit rund einer Million.

Besetzer sollten Mieter vergraulen

Die Aktivisten hatten die „Pizzeria Anarchia“ zweieinhalb Jahre lang besetzt. Zuvor war den Besetzern von den Hauseigentümern selbst angeboten worden, in die Immobilie kostenfrei für sechs Monate einzuziehen, mit dem Ziel, dass die vermeintlichen Störenfriede die letzten Mieter des Hauses gewissermaßen hinausekeln sollen. Dann sollte die Liegenschaft umgebaut und gewinnbringend verwertet werden. Die Neo-Bewohner solidarisierten sich jedoch mit den Stammmietern und blieben nach Ablauf der Halbjahresfrist, ebenso eine Mieterin.

Die Vorbereitungen zur Räumung hatten bereits in den frühen Morgenstunden am Montag begonnen, die Polizei war mit schwerem Gerät wie einem Panzer und einem Wasserwerfer, der allerdings nicht zum Einsatz kam, aufgefahren. Die Hausbesetzer hatten mit massiven Barrikaden aus verschweißten Stahltüren und Dutzenden Kubikmetern Sperrmüll Widerstand gegen die vom Bezirksgericht Leopoldstadt gerichtlich angeordnete Räumung geleistet. Aus den Fenstern warfen sie Farbbeuteln, faulen Eiern, Flaschen und Fäkalien.

Hauseigentümer unter Beobachtung

Noch nach der Räumung sei das Gebäude vom Gerichtsvollzieher den Hauseigentümern übergeben worden, sagte Hahslinger. Diese stünden schon länger unter Beobachtung der Stadt, hieß es am Dienstag. So habe es in der Vergangenheit bei 16 Mietshäusern massive Probleme gegeben, darunter auch in der „Pizzeria Anarchia“ in der Mühlfeldgasse 12.

Die Kosten für den Polizeieinsatz wird vermutlich der Steuerzahler tragen müssen. Laut Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ist es dem Staat nach jetziger Rechtslage nicht möglich, Geld zurückzuholen. Hahslinger sagte der APA, dass man mit dem Justizministerium in Kontakt getreten sei, um eventuelle Regressforderungen zu prüfen. Die Grünen kündigten für heute oder Mittwoch eine parlamentarischen Anfrage an Mikl-Leitner an, mit „sieben Fragen zur Aktion Punkpizza“, so Sicherheitssprecher Peter Pilz. (APA)

19 Hausbesetzer, 1000 Polizisten

„Sicher nicht weniger als 1000“ Polizisten waren am Montag in Wien zwecks Räumung im Einsatz. Das sagte Polizeisprecher Roman Hahslinger, der Fragen nach deren genauer Zahl und der Kosten nicht beantwortete, sondern darauf verwies, dass diese „im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage bekanntgegeben“ würden. In einem vorläufigen Vergleich kämen mehr als 50 Polizisten auf einen Hausbesetzer.

Denn die Zahl der Aktivisten, die sich in dem Gebäude in der Leopoldstadt aufhielten, beschränkte sich auf 19, wie sich nach Abschluss des Einsatzes am Abend herausstellte. Die Polizei war zuerst von ungefähr 50 Personen ausgegangen. In dem als unverhältnismäßig kritisierten Einsatz wären auch unter der ursprünglichen Annahme immer noch 20 Polizisten auf einen Hausbesetzer gekommen.

2000 Exekutivbeamte waren am 23. Jänner bei den Protesten gegen den Akademikerball der FPÖ in Wien im Einsatz. Die Kosten dafür bezifferte die Polizei damals mit rund einer Million Euro. Gewalttätige Demonstranten richteten trotz des großen Polizeiaufgebots Sachschäden von rund einer Million Euro an, es gab 15 Festnahmen. Kritik kam daraufhin von Bürgermeister Michael Häupl. Auf jeden Vermummten wären zehn Polizisten gekommen.

3000 Polizisten waren im Juni 2006 im Einsatz - anlässlich eines nicht einmal 24 Stunden dauernden Wien-Besuchs des damaligen US-Präsidenten George W. Bush. An einer Anti-Bush-Demo beteiligten sich damals rund 15.000 Menschen. Damals ging es unter anderem um den Irak-Krieg und das US-Gefangenenlager Guantanamo.