Ostukraine - „Die letzten Soldaten des Russischen Reiches“

Donezk/Luhansk (Lugansk)/Kiew (APA/AFP) - Sie sind die Führungsspitze der selbstproklamierten „Volksrepublik Donezk“ in der Ukraine, und sie...

Donezk/Luhansk (Lugansk)/Kiew (APA/AFP) - Sie sind die Führungsspitze der selbstproklamierten „Volksrepublik Donezk“ in der Ukraine, und sie sind überzeugte Anhänger der Idee eines Großrusslands mit ihrer Region als Bestandteil. Doch nicht nur das: Der selbsternannte Regierungschef Alexander Borodaj und sein Vize Wladimir Antjufejew sind auch russische Staatsbürger, ebenso wie ihr „Verteidigungsminister“ Igor Strelkow.

Weil die drei keinen Hehl aus ihrer Vergangenheit im Dienste Moskaus machen, nähren sie den Verdacht westlicher Regierungen, dass der Kreml den separatistischen Aufstand in der Ostukraine nicht nur unterstützt, sondern womöglich auch angezettelt haben könnte.

Mit dem Auftauchen von Antjufejew als stellvertretendem Regierungschef vor einigen Tagen hat sich die Führung in Donezk zu einem russischen Triumvirat erweitert. Als er sich den Journalisten vorstellt, sagt er: „Antjufejew Wladimir Jurewitsch, geboren 1951, Russe, Staatsbürger der Russischen Föderation.“ Und zu seiner Biographie fügt er hinzu: „Mein ganzes Leben habe ich dem Kampf gegen den National-Faschismus gewidmet, in Lettland, Moldawien, Georgien und nun in der Ukraine.“

Antjufejew war nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nach Transnistrien gegangen, einem kleinen Landstrich, der sich in den Wirren der frühen 90er Jahre von Moldawien lossagte. Seitdem wird die international nicht anerkannte Republik von Russland unterstützt. Antjufejew leitet mehr als 20 Jahre lang den örtlichen Geheimdienst KGB. Im Jahr 2004 landet er auf einer Sanktionsliste der Europäischen Union. Nach der Wahl eines neuen Präsidenten in Transnistrien Anfang 2012 trat Antjufejew wegen „politischer Differenzen“ ab.

Der moldauische Politikexperte Oasu Natoi vermutet, Moskau wolle die Ostukraine zu einem zweiten Transnistrien machen. Ausgeführt würde die Operation von erfahrenen Offizieren, die offiziell verrentet oder in Reserve seien. „In Wahrheit aber werden sie von Moskau und den Spezialkräften geführt“, sagt Natoi. Das Auftauchen von Antjufejew in Donezk sei beispielhaft für diese Strategie.

Antjufejew selbst bestreitet, von Moskau gelenkt zu werden. Lächelnd sagt er Journalisten, er stehe höchstens mit einigen Moskauer Politikwissenschaftlern und Historikern in Kontakt. Er trägt selbst einen Doktortitel in Politikwissenschaft.

Der russische Experte Konstantin Kalatschow sagt, für den Sowjetbürger Antjufejew habe die Sowjetunion in ihren damaligen Grenzen nie aufgehört zu existieren. Zusammen mit Gleichgesinnten bilde er eine Gemeinschaft der „letzten Soldaten des Russischen Reiches oder der Sowjetunion“. Dass Antjufejew und seine Leute ihre Befehle direkt vom russischen Präsidenten Wladimir Putin erhalten, bezweifelt Kalatschow allerdings.

Die drei Männer an der Spitze der „Volksrepublik Donezk“ sind sich womöglich schon in Transnistrien begegnet, wo Borodaj und Strelkow als Freiwillige kämpften. Strelkow selbst arbeitete nach eigenem Bekunden bis März vergangenen Jahres beim russischen Inlandsgeheimdienst FSB - jenem Nachfolger des KGB, in dem einst auch Putin Karriere machte.

Strelkow diente im Frühjahr 2014 nach ukrainischen Angaben zunächst als Sicherheitsberater von Sergej Aksjonow, dem selbsternannten Regierungschef der ukrainischen Halbinsel Krim, bevor diese von Russland annektiert wurde. Danach tauchte er im Osten der Ukraine als Anführer der Rebellen in der Stadt Slawjansk auf, inzwischen stieg er zum Verteidigungsminister der „Volksrepublik Donezk“ auf.

Nach Angaben des ukrainischen Geheimdienstes SBU ist Strelkow in Wahrheit Oberst des russischen Militärgeheimdiensts GRU und heißt Igor Girkin - was er bestreitet. Am Mittwoch machte er von sich reden, indem er seinen Kämpfern das Fluchen untersagte: Dieses sei Sünde, untergrabe die Moral und werde künftig als schweres disziplinarisches Vergehen geahndet, erklärte er über den Kurzbotschaftendienst Twitter.

Regierungschef Borodaj sieht in den vielen Russen in seinem Arbeitsstab eine „normale, natürliche“ Angelegenheit. Bei der Vorstellung seines neuen Stellvertreters Antjufejew kündigte er an, künftig würde es in der „Volksrepublik Donezk“ noch mehr Leute aus Moskau geben. Der Grund dafür sein einfach: Die Rebellen bräuchten „Stärke, Kompetenz und Qualität“.