Die langen Schatten des Rote Khmer-Regimes
Phnom Penh (APA/dpa) - Unter der Schreckensherrschaft der Roten Khmer sind in Kambodscha zwischen 1975 und 1979 geschätzte 1,7 Millionen Men...
Phnom Penh (APA/dpa) - Unter der Schreckensherrschaft der Roten Khmer sind in Kambodscha zwischen 1975 und 1979 geschätzte 1,7 Millionen Menschen umgekommen, ein Viertel der Bevölkerung. Vor dem Völkermordtribunal bei Phnom Penh fällt am 7. August das Urteil gegen die beiden ranghöchsten noch lebenden Regimevertreter.
Das Regime hatte zehntausende Mitläufer, von denen viele ihre Familienangehörigen, Nachbarn und Kollegen überwacht, verraten, drangsaliert, gefoltert und ermordet haben. Das Dokumentationszentrum Kambodscha lässt Opfer, Täter und die Jugend zu Wort kommen:
OPFER:
CHUM MEY, Jahrgang 1930, einer von höchstens 14 Überleben des Tuol Sleng-Foltergefängnisses, wo mindestens 12 000 Menschen umkamen.
„Sie brüllten mich an: „Wann bist Du der CIA beigetreten? Wer hat Dich rekrutiert?!“ Ich sagte: „Was ist CIA?“ Sie schlugen mich. Sie zogen mir die Fußnägel raus. Ich bekam Elektroschocks. Wir waren viele in einer Zelle, mit den Füßen an eine Eisenstange gekettet. Ich habe die Schreie von anderen gehört: Mutter, hilf mir! Lasst mich sterben! Nach zwölf Tagen Schlägereien habe ich alles gesagt, was sie hören wollten, und viele Namen genannt - alles erfunden. Noch heute wache ich im Schlaf auf und schreie, weil ich von Schlägen träume.“
BOU MENG, ebenfalls Überlebender von Tuol Sleng. Er wurde nicht ermordet, weil er schöne Bilder von Regime-Chef Pol Pot malen konnte:
„Sie schlugen mich, dass ich ohnmächtig wurde. Ich lag auf dem Boden, sie haben mit Bambusstöcken in mich gestochen, bis alles blutig war. „Tötet ihn nicht!“ schrie der Aufseher. „Er muss noch ein Bild von Bruder Nummer eins malen! Sie sagten: „Wenn das nicht perfekt wird, bringen wir Dich um und machen aus Dir Düngemittel.““
TÄTER:
Prak Khan, Folterer im Tuol Sleng-Gefängnis. Er notiert auf einer der 51 Akten, die er abgezeichnet hat: „Folter ist eine Maßnahme zur Unterdrückung des Feindes.... Dies ist die Pflicht eines jeden, der das Land im Klassenkampf verteidigt.“ Als das Dokumentationszentrum ihn aufspürt, sagt er, er sei nur Wachmann gewesen. Dann gibt er zu: „Ich habe Bitteres erlebt. Ich musste Regeln befolgen. Es war so schrecklich, ich kann es gar nicht aussprechen. Ich hasse Waffen.“
Aom An, Jahrgang 1933, Rote Khmer-Sekretär in der „Region 41“. „Ich war dem Kampf und der Nation immer treu. Ist es Völkermord, wenn man versucht, die Menschen zu schützen? Wenn ich vor Gericht gestellt würde, würde das nur meine Familie berühren, nicht die Gesellschaft. Was soll das?“
JUGEND VON HEUTE:
Sopheak Pheana, Jahrgang 1993, Studentin und Praktikantin im Dokumentationszentrum, nach einer Begegnung mit Chum Mey, der Besucher lange durch das einstige Foltergefängnis Tuol Sleng führte:
„Für Chum Mey sind die Erinnerungen wie Schnitte ins Fleisch, aber er nimmt den Schmerz auf sich, um andere aufzuklären. Sein Mut zeigt mir: man muss sich den Erfahrungen stellen, um sie zu verarbeiten. Man kann die Vergangenheit nicht ändern, aber er zeigt, dass man so stark sein kann, dass sie einen nicht kontrolliert. Chum Mey wurde gefoltert und hat unsäglichen Schmerz erlitten, aber er hat sich ans Leben geklammert, um seine Geschichte erzählen zu können. Daraus lerne ich: nie aufgeben, auch das Schlimmste geht vorbei.“