Konflikte

EU-Wirtschaftssanktionen gegen Russland offiziell beschlossen

Die 28 EU-Staaten haben sich über Sanktionen gegen Russland geeinigt.Bis Donnerstag müssen diese förmlich von den Regierungen gebilligt werden.
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Alle 28 Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten stimmten den Sanktionen zu. Am Freitag treten diese in Kraft.

Brüssel – Die 28 EU-Regierungen haben die Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union gegen Russland am Donnerstag offiziell beschlossen. Dies teilte der EU-Ministerrat in Brüssel mit. Mit den Strafmaßnahmen, die in einem schriftlichen Verfahren gebilligt wurden, soll Russlands Präsident Wladimir Putin dazu gebracht werden, die moskautreuen Separatisten in der Ostukraine nicht länger zu unterstützen. Kernstück der Wirtschaftssanktionen ist eine Erschwerung des Zugangs russischer Banken zu den für Moskau wichtigen Kapitalmärkten der EU.

Zu den neuen Sanktionen gehören auch ein Waffenembargo, ein Ausfuhrverbot für zivil und militärisch nutzbare Güter an das russische Militär und ein Lieferstopp für Spezialgeräte zur Ölförderung. Die ersten Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union gegen Russland in der Ukraine-Krise waren bereits am Dienstag von den EU-Botschaftern vereinbart worden. Sie treten amFreitag in Kraft.

Alle russischen Banken von Restriktionen betroffen

Mit den Wirtschaftssanktionen bekomme die Reaktion der EU auf das Vorgehen Russlands in der Ukraine-Krise ein neue Qualität, sagten EU-Diplomaten. Die Sanktionen könnten je nach Entwicklung der Lage jederzeit verschärft oder gelockert werden.

Die Restriktionen des Zugangs zu den europäischen Kapitalmärkten betreffen alle russischen Banken mit einer staatlichen Mehrheitsbeteiligung. Sie dürfen in der EUkeine Anleihen, Aktien oder andere Wertpapiere mehr verkaufen. Damit soll die Möglichkeit der Banken, die russische Wirtschaft zu finanzieren, eingeschränkt werden. Darlehen an russische Unternehmen sind nicht verboten. In der EU tätige Niederlassungen und Tochtergesellschaften dürfen die Beschränkungen nicht unterlaufen.

Waffenembargo und Beschränkungen im Energiesektor

Das Waffenembargo betrifft sämtliche Rüstungsgüter, die in einer entsprechenden EU-Liste enthalten sind, allerdings nur künftige Verträge. Altverträge - beispielsweise Frankreichs Lieferung von zwei Hubschrauberträgern im Wert von 1,2 Milliarden Euro - dürfen noch abgewickelt werden.

Ausfuhrlizenzen sind künftig für die Lieferung von sowohl zivil als auch militärisch nutzbaren Gütern nötig, sofern es sich beim Endkunden in Russland um das Militär handelt. Dann sollen beispielsweise keine Genehmigungen für die Lieferung von Verschlüsselungssystemen, bestimmten Werkzeugmaschinen oder Hochleistungscomputern mehr erteilt werden.

Für den Energiesektor gilt ein Verbot der Ausfuhr von Hochtechnologie, die für die Ölförderung in der Arktis oder in der Tiefsee benötigt wird. Angesichts der starken Abhängigkeit der EU von russischen Gaslieferungen - knapp 40 Prozent der gesamten Gasimporte kommen aus Russland - sei der Gassektor bewusst ausgespart worden, sagten Diplomaten.

Seit März Einreiseverbote und Kontosperren

Aus Protest gegen die Annexion der Krim durch Russland und gegen die massive Unterstützung der Separatisten im Osten der Ukraine durch Russland hatte die EU seit März schrittweise insgesamt 95 Personen mit Einreiseverboten und Kontensperrungen belegt. Am Mittwochabend wurden erstmals drei mit Putin eng befreundete Geschäftsleute, darunter auch dessen einstiger Judo-Sparringspartner, auf die Sanktionsliste gesetzt. Außerdem stehen 23 Unternehmen auf einer schwarzen Liste der EU: Ihnen sind Geschäfte in der Europäischen Union untersagt.

Die Sanktionen sollten am Donnerstagabend im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden, um danach in Krfat treten zu können.

„Starke Warnung“ an Russland

Das beschlossene Sanktionspaket sei eine „starke Warnung“ an Russland, betonte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy am Donnerstag in einer Aussendung. „Im Europa des 21. Jahrhunderts kann die illegale Annexion von Territorium und die absichtliche Destabilisierung eines souveränen Nachbarstaates nicht akzeptiert werden“, unterstrich der Gipfelpräsident.

Wenn eine „außer Kontrolle“ geratene Gewaltspirale auch zur Tötung von 300 unschuldigen Flugpassagieren führe, „braucht es eine dringliche und entschlossene Antwort“, sagte Van Rompuy mit Blick auf den Absturz einer malaysischen Jets über der umkämpften Ostukraine vor zwei Wochen. „Die Europäische Union erfüllt ihre Verpflichtungen zum Schutz ihrer Bürger. Und die Europäische Union steht an der Seite ihrer Nachbarn und Partner.“

Russland reagiert mit Vergeltungsmaßnahmen

EU-Energiekommissar Günther Oettinger reagierte unterdessen gelassen auf eine russische Drohung mit höheren Energiepreisen als Folge der EU-Wirtschaftssanktionen. „Die Russen sind ja selbst an der Lieferung (von Gas nach Europa) interessiert“, sagte Oettinger am Donnerstag in der ARD. „Sie brauchen jeden Tag die Einnahmen für ihren Staatshaushalt“, argumentierte er. Zudem habe die EU eine Strategie vorbereitet, wie sie sich kurz- und mittelfristig im Energiebereich behaupten könne, „egal was Russland macht“. Er nannte Norwegen, Algerien, aber auch die Einfuhr von Flüssiggas über den Schiffsweg als Alternativen. „Wir könnten für viele Tage auch ohne Importe leben“, betonte er.

Russland hatte bereits vor dem offiziellen Inkrafttreten der EU-Sanktionen Maßnahmen ergriffen, die als Vergeltung gewerten werden. So wurde ein sofortiger Importstopp für ukrainische Säfte verhängt. Das Etikett der Getränke entspreche nicht den Vorschriften, teilte die Agraraufsicht in Moskau mit. Russland hatte bereits unter anderem die Einfuhr von Milchprodukten, Fischkonserven und Schokolade eingeschränkt. Die Ukraine wirft Russland politische Motive vor, um der Ex-Sowjetrepublik zu schaden. Für die Ukraine war Russland bisher ein wichtiger Exportpartner.

Importstopp für polnisches Obst und Gemüse

Die russische Agraraufsicht kritisierte zudem die Qualität von Trockenmilch aus Lettland und von Fleischlieferungen aus Polen. In beiden Fällen wurde zunächst aber kein Verbot ausgesprochen. Russland hatte am Mittwoch für Obst und Gemüse aus Polen „wegen Verstößen gegen die Lebensmittelsicherheit“ einen Importstopp verfügt. Kommentatoren sehen die Handelsblockade auch als Reaktion auf Polens Politik in der Ukraine-Krise. Polen gilt - etwa wie Lettland - als wichtiger Partner der prowestlichen Regierung in Kiew.

Viele Polen wollen dem russischen Importverbot durch einen höheren Binnenkonsum die Spitze nehmen. Unter dem Twitter-Slogan „Iss Äpfel gegen Putin!“ wird dazu aufgerufen, sich dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu widersetzen und die heimischen Landwirte zu unterstützen. Auf dem Twitter-Konto #jedzjablka (Iss Äpfel) veröffentlichten dutzende Journalisten, Politiker und andere Prominente Bilder von sich mit einem Apfel oder einer Flasche Apfelwein in der Hand. Stanislaw Koziej, ein Berater von Präsident Bronislaw Komorowski, rief zur Unterstützung der Kampagne auf. (dpa, APA)