Wirtschaftspolitik

Zurück zum Start: Pakt für Freihandel scheitert an Indien

Das erste globale Handelsabkommen, bekannt als Bali-Pakt, ist gescheitert. Es hätte 21 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen sollen.

Genf, Neu-Delhi –Der Optimismus war enorm. Endlich schien die oft geschmähte Welthandelsorganisation (WTO) zu liefern: Weniger Zollbürokratie, geringere Abgaben an den Grenzen, Milliarden an Einsparungen und bessere Exportchancen für die ärmsten Länder – die Vereinbarungen des WTO-Gipfels auf Bali sollten eine neue Ära einleiten. Knapp acht Monate später erwies sich diese Hoffnung als verfrüht. Denn Indien zog in der Nacht zum Freitag den Stöpsel – der Pakt ist geplatzt.

Das erste globale Abkommen über Handelserleichterungen in der fast 20-jährigen Geschichte der WTO – der so genannte Bali-Pakt – ist bis auf Weiteres gescheitert. Indiens neue nationalistische Regierung ließ die Frist zur Unterzeichnung verstreichen.

„Wir waren nicht in der Lage, eine Lösung zu finden, mit der wir den Graben hätten überbrücken können“, berichtete WTO-Generaldirektor Roberto Azevedo enttäuscht dem Generalrat der 160 Staaten umfassenden Organisation in Genf. Frust-Reaktionen aus vielen Staaten ließen nicht auf sich warten. Indien sende ein „verwirrendes Signal“ und unterminiere sein Image, ließ US-Außenminister John Kerry in Neu-Delhi erklären.

Eisern blieb der neue Premier Narendra Modi dabei, die von seiner Vorgänger-Regierung auf Bali gemachte Zusage zu einer Kompromiss-Lösung nicht einhalten zu wollen. Im Zentrum des Streits steht Indiens Programm zur Ernährung von Millionen armer Menschen, die laut Regierung verhungern müssten, würde der Staat nicht Grundnahrungsmittel kräftig subventionieren. Den Hunger im Land versucht die Regierung in den Griff zu bekommen, indem sie Getreide bei Farmern zu Preisen über dem Marktniveau kauft und billig abgibt. Bald sollen 800 Mio. Menschen Getreide zu Cent-Preisen kaufen können.

Für diese Agrarsubventionen gibt es zwar viel Verständnis. Doch eine Reihe von Ländern klagen, dass Indien sie als Vorwand nutze, um seinen Farmern massive Konkurrenzvorteile zu verschaffen.

Beim WTO-Gipfel im Dezember hatte die damalige indische Regierung einer Übergangslösung zugestimmt, die den Weg für den Bali-Pakt ebnete: Bis 2017 sollte Indien durch eine „Friedensklausel“ vor Klagen anderer WTO-Staaten gegen seine Subventionen geschützt werden. Bis dahin sollte eine permanente Regelung gefunden werden. Diese wollte Modi nun schon jetzt erzwingen. Die Mehrheit der WTO-Staaten lehnte das ab.

Der Bali-Pakt hätte nach Berechnungen der Internationalen Handelskammer Wachstumsimpulse von bis zu einer Billion Dollar freisetzen sollen. 21 Millionen neue Arbeitsplätze wären möglich geworden – vor allem in Entwicklungsländern. Nun aber droht die WTO erneut in eine Sackgasse zu geraten. Das viel größere Ziel, ein weltweites Freihandelsabkommen, wie es einst in Doha anvisiert worden war, scheint in unerreichbare Ferne gerückt zu sein. (wer, APA, dpa)