Salzburger Mozart-Neudeuter und Schubert-Entdecker - Klassiknews
Wien/Salzburg (APA) - Wenn sich der Hausgott der historischen Aufführungspraxis den letzten Symphonien Mozarts nähert, kann man zumindest Un...
Wien/Salzburg (APA) - Wenn sich der Hausgott der historischen Aufführungspraxis den letzten Symphonien Mozarts nähert, kann man zumindest Ungehörtes erwarten: Nikolaus Harnoncourt hat sich mit seinem Concentus Musicus die Symphonien 39-41 zur Brust genommen. Er begreift die drei Werke als nicht unabhängig voneinander, sondern als „Instrumental Oratorium“.
Entsprechend hat sie Harnoncourt jüngst bei den Salzburger Festspielen als Einheit präsentiert - und dazu auch die offizielle Einspielung vorgelegt (Sony Classical). Der 84-jährige Pultstar fasst dabei die drei Arbeiten aus dem Sommer 1788 als Einheit, die er nicht zuletzt daher ableitet, dass Nr. 39 als einzige der drei eine Einleitung, Nr. 41 als einzige ein wirkliches Finale hat.
Harnoncourt-typisch schält der Concentus aus den drei Symphonien unbekannte Klangfarben, lässt Seitenmotive und -themen zur Geltung kommen und gibt den oft gespielten Stücken einen schroffen, fast bissigen Charakter. Dazu bürstet er noch die Tempi gegen den Strich, was eine gewisse Unruhe mit sich bringt - das tänzerische Element bleibt dafür auf der Strecke.
Der zurückhaltende bayerische Bariton Christian Gerhaher (45) hat sich in den vergangenen Jahren zum Starsänger gemausert: Im Vorjahr für seinen Pelleas in „Pelleas et Melisande“ der Oper Frankfurt mit einem Faust-Preis ausgezeichnet, dortselbst im Juni ein unkonventioneller „Don Giovanni“, und erst vor wenigen Tagen anlässlich einer Neuinszenierung von Claudio Monteverdis „L‘Orfeo“ an der Bayerischen Staatsoper umjubelt, gastiert er mit seinem Stammpianisten Gerold Huber am 5. August bei den Salzburger Festspielen.
Dass dieser Liederabend im Haus für Mozart, dessen Aufzeichnung von Ö1 am 20. August um 19.30 Uhr gesendet wird, neben zwei Werken von Rihm ausschließlich mit Schubert-Liedern bestritten wird, könnte angesichts der soeben neu erschienenen Schubert-CD von Gerhaher und Huber ein wenig skeptisch stimmen. Doch der Salzburg-Auftritt entpuppt sich beim näheren Hinsehen keineswegs als Promotermin für das neue Album „Nachtviolen“ (Sony Classical): Mit „Hoffnung“ sind gerade einmal schlanke eineinhalb Minuten Material des neuen Tonträgers auch im Konzertprogramm vertreten.
Es sind 24 fast durchwegs seltener gesungene Stücke, mitunter echte Raritäten aus dem breiten Schubert-Katalog, die Gerhaher mit großer Schlichtheit, aber umso größerer Wirkung interpretiert. Kunstlied ganz ungekünstelt. „Eine Sternstunde“, jubelt der „Tagesspiegel“, von einem „überragenden Liedsänger, so außerordentlich, dass marktdominierende Größen wie Dietrich Fischer-Dieskau allmählich in seinem Schatten verblassen“, schwärmt die „Süddeutsche Zeitung“, und für die „F.A.Z.“ ist er „der beste und der vielseitigste Bariton unserer Tage“. „Nachtviolen“ sind übrigens Kreuzblütler, die angeblich bereits im antiken Griechenland als Mittel gegen Melancholie und Schlaflosigkeit bekannt waren. Ob Gerhahers „Nachtviolen“ die nämliche Wirkung tun, muss allerdings bezweifelt werden.