EZB-Bankenaufsicht: Noch stressige drei Monate bis zum Start

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Frankfurt (APA/dpa) - Nur drei Monate bleiben noch, dann soll das wichtigste europäische Projekt seit Einführung des Euro Realität werden: die Bankenunion. Am 4. November übernimmt die Europäische Zentralbank (EZB) die Oberaufsicht über die Banken in der Eurozone.

Noch gibt es viel zu tun, damit das ehrgeizige Mammutprojekt den Währungsraum und seine Finanzbranche tatsächlich stabiler macht und nicht doch am Ende neue Unsicherheit entsteht.

Absehbar ist, dass die Bankenunion anfangs eher wacklig gebaut sein wird. Denn mit der gemeinsamen Aufsicht wird zunächst nur eine von drei vorgesehenen Säulen errichtet. 2016 kommen gemeinsame Regeln zu Sanierung und notfalls Abwicklung von Krisenbanken hinzu. Die dritte Säule - eine grenzüberschreitende Einlagensicherung für Sparer - wird derzeit gerade auch auf Druck aus Deutschland nicht mehr verfolgt.

Streit ist - wie eigentlich immer in Europa - auch sonst programmiert: Deutschlands Sparkassen und Volksbanken dringen in Brüssel auf Freibeträge für kleinere Institute für den 55-Milliarden-Abwicklungsfonds, den Europas Banken bis 2024 füllen sollen. Man dürfe nicht „kleine und risikoarme Institute für die Gefahrguttransporter unter den Banken zahlen lassen“, ließ Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon erklären.

Eine Gruppe deutscher Professoren stellt gleich das ganze Projekt Bankenunion infrage und zog kürzlich per Verfassungsbeschwerde vor das oberste deutsche Gericht (Az.: 2 BVR 1685/14). Der Berliner Finanzwissenschaftler Markus C. Kerber argumentiert, die Bankenunion habe keine Rechtsgrundlage in den europäischen Verträgen und stelle einen Grundrechtsverstoß dar. Die Kritik richtet sich zunächst gegen die EZB-Aufsicht. „Die Europäische Zentralbank bekommt mehr Macht als ihr zusteht. Dies ist ein Grundrechtsverstoß“, meint Kerber. Der Professor behält sich ausdrücklich vor, auch noch einen Eilantrag einzureichen, um den Start der Bankenunion zu verhindern.

Den Befürwortern geht es nach den Verwerfungen der Finanzkrise vor allem um eines: Vertrauen. „Die Bankenunion ergänzt die Wirtschafts- und Währungsunion und stellt sicher, dass der Steuerzahler nicht mehr die Rechnung zahlen muss, wenn Banken in Schwierigkeiten geraten“, erklärte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier.

In ihrer Gipfelerklärung vom 29. Juni 2012 - gewissermaßen Startpunkt der Bemühungen um eine Bankenunion - betonten die Euroländer: „Wir bekräftigen, dass es von ausschlaggebender Bedeutung ist, den Teufelskreis zwischen Banken und Staatsanleihen zu durchbrechen.“ Nicht einmal einen Monat später wurde deutlich, wie zwingend grundlegend neue Strukturen sind: Die Eurozone stand am Rande des Kollaps, EZB-Präsident Mario Draghi sah sich zu einem umstrittenen Versprechen genötigt: „Die EZB ist bereit, im Rahmen ihres Mandats alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten.“

Die Krisen der vergangenen Jahre führten Politik und Währungshütern vor Augen: Eine gemeinsame Geldpolitik ohne gemeinsame Kontrolle der Banken funktioniert nicht. Nationale Aufseher mussten sich immer wieder kritisieren lassen, bei heimischen Instituten zu nachgiebig zu sein und vor Problemen die Augen zu verschließen. Das nährte das Misstrauen der Finanzmärkte in die Stabilität des Bankensektors.

Auch der Aufbau der neuen EZB-Aufsicht geschieht unter immensem Zeitdruck. Gerade einmal ein Jahr hat die EZB bis November, um die etwa 1000 Fachleute zu finden und gemeinsame Strukturen für die Experten aus den unterschiedlichen Euroländern zu schaffen.

Neben der Logistik muss die Notenbank noch die Überprüfung der 128 größten Euro-Banken bewerkstelligen - „einen kompletten Gesundheitscheck inklusive Belastung-EKG“, wie es Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret nennt.

Doch Bilanzcheck und Stresstest sind nötig, schließlich soll die neue Aufsicht möglichst ohne Altlasten starten. Bisher gibt es etwa daran, wie die Institute eigene Risiken berechnen und ob diese mit genügend Kapital abgesichert sind, erhebliche Zweifel. Die Folge ist großes Misstrauen von Investoren - abzulesen an deutlich niedrigeren Börsenwerten von europäischen Banken im Vergleich zur US-Konkurrenz.

Die EZB selbst sitzt zwischen allen Stühlen: Deckt der Test zu große Kapitallücken auf, drohen neue Verwerfungen. Gibt es am Ende keine Durchfaller, könnte das die Glaubwürdigkeit der Prüfungen in Zweifel ziehen. Mancher Beobachter stellt sich daher die Frage, ob die Tests wirklich wie angekündigt ergebnisoffen stattfinden.

~ WEB http://www.ecb.int ~ APA099 2014-08-03/11:22