Nahost-Konflikt - Gaza-Krieg schwächt israelische Wirtschaft kaum
Gaza (APA/Reuters) - Experten rechnen durch die seit drei Wochen anhaltende Gaza-Offensive nicht mit einer nachhaltigen Schwächung der israe...
Gaza (APA/Reuters) - Experten rechnen durch die seit drei Wochen anhaltende Gaza-Offensive nicht mit einer nachhaltigen Schwächung der israelischen Wirtschaft. Zudem würden die kriegsbedingten Einbußen vermutlich rasch ausgeglichen, erklärten israelische Ökonomen und Branchenvertreter im Gespräch mit Reuters.
Die Hoffnungen der Fachleute stützen sich auf Erfahrungen mit anderen Militäroperationen der vergangenen Jahre: Sowohl nach dem einmonatigen Krieg mit der Hisbollah-Miliz im Libanon 2006 als auch nach den früheren Militäroperationen gegen die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas 2009 und 2012 erholte sich die israelische Wirtschaft rasch. Einzig der wichtige Tourismus hatte nachhaltig zu leiden.
„Es werden Kosten auf uns zukommen, aber sie werden nicht katastrophal sein“, sagt Barry Topf, der Berater des früheren Chefs der israelischen Notenbank, Stanley Fischer. Die israelische Zentralbank rechnet damit, dass durch die Kämpfe mit der Hamas der Wirtschaft ein halber Prozentpunkt Wachstum in diesem Jahr verloren geht. Um die Wirtschaft zu entlasten, hat die Bank of Israel den Referenz-Zinssatz von 0,75 Prozent auf 0,5 Prozent gesenkt.
„Wenn wir irgendetwas von ähnlichen Entwicklungen in der Vergangenheit lernen können, dann dass wir mit keinem großen Einfluss auf die Wirtschaft rechnen müssen“, sagt auch die stellvertretende Chefin der Notenbank, Nadine Baudot-Trajtenberg, im Gespräch mit Reuters. „Das ist kein Auslöser für eine Schwächung der Wirtschaft.“
Dabei sind die Folgen des Konflikts, dem bisher über 1500 Palästinenser und über 60 israelische Soldaten sowie drei israelische Zivilisten zum Opfer gefallen sind, auch ökonomisch spürbar. Die Raketen-Attacken aus dem Gazastreifen haben zu Einbrüchen in der industriellen Produktion und im Konsumverhalten der Bevölkerung geführt.
Auf über zehn Milliarden Schekel (2,2 Milliarden Euro) schätzt Ofer Shelach, Mitglied in Finanzausschuss des Parlamentes, die dadurch entstandenen Kosten. Die Zeitung Yedioth Ahronoth geht davon aus, dass die Kosten für den Einsatz bisher mit zwölf Milliarden Schekel (2,6 Milliarden Euro) zu Buche geschlagen haben. Das entspricht 1,2 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung.
Schon jetzt zeichnet sich ein Streit zwischen Finanz- und Verteidigungsministerium ab. Die Militärs wollen mehr Geld haben, das das Finanzministerium lieber für soziale Zwecke ausgeben würde. Aber dass die Armee mehr Geld als ursprünglich geplant erhalten wird, steht außer Frage. Damit könnte die Neuverschuldung im laufenden Jahr die geplante Marke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung übersteigen. Auch die für das kommende Jahr angepeilte Marke von 2,5 Prozent wackelt. Für 2015 fordern die Streitkräfte zusätzliche fünf Milliarden Schekel (1,1 Milliarden Euro).
Der Konflikt trifft die Wirtschaft in dem jüdischen Staat in einer Abschwungphase. Dieses Jahr wurde ursprünglich ein Wachstum von 2,9 Prozent erwartet, nach 3,3 Prozent im vergangenen Jahr. Wenn es keine militärischen Konflikte mehr nach Einstellung der Kampfhandlungen geben sollte, werde die Wirtschaft den Schock verkraften, erklärt Michael Sarel, früherer Chef-Ökonom im Finanzministerium. „Die Auswirkungen werden sich nur über ein Quartal erstrecken“, sagt er voraus.
Am härtesten wurde bisher die Tourismus-Industrie getroffen. Im dritten Quartal rechne die Branche mit Mindereinnahmen im Umfang von 2,2 Milliarden Schekel (knapp 500 Millionen Euro), sagt Shmuel Tsurel vom israelischen Hotelverband. „Noch vor ein paar Wochen waren wir zuversichtlich, auf dem Wachstumspfad zu bleiben und die Schallmauer von zehn Millionen Übernachtungen zu knacken.“ Jetzt aber stünden schmerzhafte Einbrüche bevor. In den eigentlich traditionell ausgebuchten Sommermonaten würden nun Leerstände von 30 bis 40 Prozent registriert. Zu der Krise dürften auch die kurzzeitigen Unterbrechungen im Flugverkehr nach Israel beigetragen haben.
Für die Industrie rechnet deren Verband bisher mit eine Schaden von 820 Millionen Schekel (178 Millionen Euro) durch den Krieg. Grund sei, dass die Arbeiter teils zuhause blieben, teils von der Armee eingezogen worden seien. Die Hoffnungen auf eine rasche Erholung fußen in diesem Wirtschaftszweig darauf, dass die israelische Industrie robust, innovativ und attraktiv für ausländische Investoren ist. Chinesische Firmen haben jüngst Tnuva, den größten Lebensmittelhersteller, sowie den Pflanzenschutzhersteller MA Industries erworben. Der Chiphersteller Intel will eine neue Fabrik in Israel bauen.
Trotzdem steht hinter den Erwartungen einer raschen wirtschaftlichen Erholung auch ein großes Fragezeichen. Alle Hoffnungen seien Makulatur, falls die auf Gaza begrenzten Kämpfe auf andere Palästinensergebiete überspringen würden und ein langer Konflikt bevorstehe, erklärt Ökonom Sarel.