Das Elend, eine Goldgrube: Das dreckige Geschäft mit Elektromüll
In Afrika findet Elektroschrott aus Europa seine letzte Ruhestätte, fachgerecht recycelt wird hier freilich nicht. Die Müllhalde Agbogbloshie ist einer der verseuchtesten Orte der Welt.
Innsbruck – Die Welt ist im Umbruch und mit ihr auch der Journalismus. Das bekamen 2012 auch vier Wirtschaftsjournalisten zu spüren, als die Financial Times Deutschland zusperrte und sie ohne Job dastanden.
Dass das Geld aber trotz aller Branchen- und Bankenkrisen in unsichtbaren Strömen weiterfließt, ist nicht nur im Kreis von Wirtschaftsexperten ein offenes Geheimnis. Einen dieser unzähligen, häufig am Fiskus vorbeifließenden Ströme haben nun aber eben jene vier Journalisten transparent gemacht. „Follow the Money“ nennen sie ihr Rechercheteam in Anlehnung an die Redensart, die im englischsprachigen Raum für investigativen Journalismus steht.
Das Pilotprojekt, in dem die neuen Möglichkeiten des digitalen Geschichtenerzählens ausgelotet werden, konnte dank Crowdfunding finanziert werden. Oder, wie Marcus Pfeil von „Follow the Money“ präzisiert, es wurde dadurch zumindest „angeschubst“.
Schrottfernseher wurden dafür mit Peilsendern präpariert und wochenlang mittels GPS verfolgt. Alte Röhrenfernseher, die, egal ob von privaten Entsorgern abgeholt oder ordnungsgemäß zum Recyclinghof gebracht, in Afrika landeten. Dieser Transfer ist zwar illegal, doch es lässt sich gutes Geld damit verdienen. Die Kosten bestreiten freilich Mensch und Natur, halt anderswo.
Rund zwei Millionen Tonnen Elektroschrott fallen alleine in Deutschland jährlich an und obwohl es verboten ist, diesen in Nicht-OECD-Länder zu exportieren, landen nur 700.000 Tonnen im deutschen Recyclingsystem. Der Rest, rund 1,3 Millionen Tonnen, verschwindet. Vermutlich in Afrika. Dorthin führt auch die Spur der beiden „Follow the Money“-Schrottgeräte: von Hamburg bis auf die Müllhalde von Agbogbloshie in Ghana, neben Tschernobyl einer der am meist verseuchten Orte der Welt. Ein toxisches Minenfeld aus Blei, Cadmium oder Quecksilber. Hier suchen rund 40.000 Menschen, darunter viele Kinder, Tag für Tag nach Verwertbarem wie z. B. Kupfer. Wo heute die Apokalypse greifbar wird, ruhten vor 15 Jahren noch Zugvögel.
Die GPS-Jagd konnte als „Live-Recherche mit ungewissem Ausgang“ auf der Website www.followthemoney.de mitverfolgt werden. Das multimediale Projekt erweckte dabei nicht nur das Interesse der Netzgemeinde, auch verschiedenste etablierte Medien hatten angebissen: Die Route der Schrottfernseher kann nun auf ARTE Future in einer interaktiven Grafik verfolgt werden ( http://www.schrottfernseher.de/ ), ein ganzseitiger Artikel war vergangene Woche in der Zeit zu lesen. Und auch in der Polit-Sendung „Panorama“ wird am 5. August (21.15 Uhr, NDR) eine halbstündige Dokumentation ausgestrahlt, die bereits jetzt auf der Panorama-Website abgerufen werden kann.
Die Elektromüll-Reportage über verschiedene Kanäle spannend zu erzählen, wurde für das „Follow the Money“-Team zur Herausforderung: „Alle drei Baustellen müssen parallel gedacht und geplant werden, da braucht es ein funktionierendes Team. Für jeden Bereich muss jemand klar verantwortlich sein und man muss sich darauf dann auch verlassen können“, sagt Pfeil. Gestartet ist „Follow the Money“ als Experiment, trotz der guten Resonanz bleibt es das vorerst: „Wir wollen einfach vieles ausprobieren.“
Die Schwarmfinanzierung der Schrottreportage erfolgte vergangenes Jahr über die damals frisch gestartete Website www.Krautreporter.de des Journalisten Sebastian Esser. Im September geht nun auch sein Krautreporter-Online-Magazin an den Start. Ebenso wie bei „Follow the Money“ soll unabhängiger, möglichst multimedialer Journalismus geboten werden.
Die Hamburger Wirtschaftsjournalisten suchen indes bereits nach Verstärkung.
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