Zweiter Weltkrieg - Vor 70 Jahren wechselte Rumänien die Seiten

Bukarest (APA) - Vor 70 Jahren, am 23. August 1944, stürzte König Mihai I. durch die Beseitigung des Marschalls Ion Antonescu die mit Hitler...

Bukarest (APA) - Vor 70 Jahren, am 23. August 1944, stürzte König Mihai I. durch die Beseitigung des Marschalls Ion Antonescu die mit Hitler verbündete militärfaschistische Diktatur in Rumänien. Der darauf folgende Bruch mit Nazideutschland und der Wechsel des Landes aufseiten der Alliierten hat laut Historikern den Zweiten Weltkrieg um sechs Monate verkürzt und das Überleben Rumäniens als Staat gesichert.

Nach einem halben Jahrhundert der Ideologisierung dieser Ereignisse durch die kommunistische Propaganda beginnen sie nun, 25 Jahre nach der demokratischen Wende von 1989, in ihrer historischen Bedeutung wahrgenommen zu werden: Obwohl die Kommunistische Partei 1944 mit nur 1.000 Mitgliedern eher als Untergrundbewegung zu werten ist, wurde der 23. August im Kommunismus mit gigantomanischem Pomp als Nationalfeiertag begangen. Die „Befreiung“ durch die Rote Armee und die nachfolgende, angeblich von der Kommunistischen Partei angeleitete, „Revolution zur sozialen und nationalen, antifaschistischen und antiimperialistischen Befreiung“ wurden als große kommunistische Errungenschaft gefeiert. Nach der Wende 1989 wiederum, gab es Versuche nationalistisch veranlagter Kreise, Antonescu als nationalen Helden zu rehabilitieren, der versucht hatte, die von Russland besetzten rumänischen Gebiete durch die Allianz mit Hitler zurückzuerlangen.

Dabei wurde die Rolle von König Mihai I. und der historischen Zwischenkriegsparteien, welche Diktator Antonescu seit seiner Machtübernahme von den Regierungsgeschäften verdrängt hatte, stets minimiert. Als Antonescu sich weigerte, auf Geheiß des Königs einen sofortigen Waffenstillstand mit den Alliierten einzugehen - er habe Hitler „bis zum Schluss“ Treue geschworen, argumentierte der Marschall - , veranlasste der König kurz entschlossen dessen Verhaftung. Am Abend des 23. August verkündete Mihai I., der bereits seit 1942 geheime Verhandlungen mit den Alliierten führte, im Radio: „Rumänien hat den von der Sowjetunion, Großbritannien und den USA angebotenen Waffenstillstand angenommen. Ab diesem Augenblick werden jede Kriegshandlung und jeder Akt der Feindseligkeit gegen die sowjetische Armee, sowie der Kriegszustand mit Großbritannien und den USA eingestellt“. In wenigen Minuten hatte sich eine enthusiastische Menge vor dem Königspalast in Bukarest versammelt.

„Der Bruch unserer Allianz mit einer Besatzungsmacht, ohne Hilfe von außen, die Organisierung eines Komplotts in nur wenigen Metern Entfernung vom Sitz der Gestapo, das war die Höhe der Wagnis“, erinnert sich König Mihai I., heute der einzige überlebende Staatschef aus der damaligen Zeit, in einem Interview. Trotz der Waffenniederlegung durch Rumänien verhielt sich die Rote Armee weiterhin wie eine Besetzungsmacht. Im September 1944 schloss Rumänien einen Waffenstillstand mit den Alliierten und beteiligte sich an der Befreiung Ungarns und der damaligen Tschechoslowakei. Nach dem Krieg gehörte Rumänien jedoch nicht zu den offiziellen Siegermächten und musste hohe Entschädigungen an Russland entrichten, einschließlich der Deportation von bis zu 80.000 Rumäniendeutschen in sowjetische Zwangsarbeitslager.

In der Einschätzung der meisten Historiker war das Manöver des Königs ein „außerordentlicher Kraftakt“, der Nazi-Deutschland auf der Balkanfront wesentlich geschwächt hat und Rumänien aus der ungünstigen Allianz mit Hitlerdeutschland löste. „Für Rumänien war es ein äußerst wichtiger Test der Rückkehr zu einer demokratischen Regierung durch die konstitutionelle Monarchie“, meint der Historiker Adrian Majuru. „Es ist offensichtlich, dass der Krieg nicht zugunsten Rumäniens verlief und nicht unseren nationalen Interessen entsprach, weswegen der 23. August 1944 ein wahrlich rettender politischer Akt war“, erklärt auch Ex-Außenminister Adrian Cioroianu. Der Trend der Demokratisierung konnte jedoch angesichts der Anwesenheit der Roten Armee in Rumänien und der pro-sowjetischen Regierungen nicht gehalten werden. Drei Jahre später wurde König Mihai I. von den Kommunisten zum Rücktritt gezwungen, nachdem die Wahlen von 1946 gefälscht und die demokratischen Parteien aufgelöst worden waren. Rumänien geriet für das folgende halbe Jahrhundert hinter den Eisernen Vorhang.