Sachsenwahl spiegelt Bewegung in deutscher Parteienlandschaft

Berlin (APA/dpa) - Von null auf fast zehn Prozent: Bei der Landtagswahl in Sachsen siegten zwar wie erwartet die seit Jahrzehnten regierende...

Berlin (APA/dpa) - Von null auf fast zehn Prozent: Bei der Landtagswahl in Sachsen siegten zwar wie erwartet die seit Jahrzehnten regierenden Christdemokraten, doch den größten Zuwachs verbuchten die Eurokritiker. Die erst vor eineinhalb Jahren gegründete Alternative für Deutschland (AfD) zieht mit 9,7 Prozent erstmals in ein Landesparlament ein, was auf Veränderungen im Parteiengefüge in Deutschland hindeutet.

„Es zeigt, dass die AfD als Partei jetzt endgültig angekommen ist in der deutschen Parteienlandschaft“, kommentierte AfD-Parteichef Bernd Lucke das Ergebnis. Ob sich die Partei tatsächlich auf längere Sicht etablieren kann, ist zwar nach Ansicht der meisten Parteienforscher noch nicht sicher. Doch bisher reiht sich für die Eurokritiker Erfolg an Erfolg - meist auf Kosten der Liberalen, die in Deutschland nach und nach in der politischen Bedeutungslosigkeit versinken.

Bei der Bundestagswahl im Herbst 2013 war die AfD mit 4,7 Prozent zwar noch knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Sie nahm aber der in einer „schwarz-gelben“ Koalition regierenden FDP so viele Stimmen ab, dass diese erstmals seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 aus dem nationalen Parlament flog. Bei der Europawahl im Mai schaffte die AfD dann schon 7,0 Prozent und konnte sieben Abgeordnete nach Brüssel und Straßburg entsenden. Die FDP sackte auf 3,4 Prozent ab. Schon am übernächsten Sonntag stehen in zwei weiteren Bundesländern - Brandenburg und Thüringen - Landtagswahlen an, die ähnlich ausgehen könnten: Liberale raus, Eurokritiker rein.

Mit der Forderung nach Abschaffung des Euro in seiner heutigen Form hat die AfD ein populäres Thema, denn viele Deutsche trauern immer noch der D-Mark hinterher. Außerdem wenden sich die Eurokritiker gegen die Homo-Ehe, die Frauenquote, die Einwanderung und die Abtreibung, greifen also typisch konservative Positionen auf, wie sie lange Zeit auch von den Christdemokraten vertreten wurden. Für die CDU, der sie in Sachsen ebenfalls Stimmen abnahmen, könnten sie zu einer unbequemen Konkurrenz von rechts werden.

Die AfD ist auch eine typische Protestpartei. Der Satz „Sie löst zwar keine Probleme, nennt die Dinge aber beim Namen“, wurde in einer Umfrage von 89 Prozent der Befragten bejaht. Der Parteienforscher Karl-Rudolf Korte verwies darauf, dass die Parteibindungen im Osten Deutschlands schwächer seien als im Westen und dass es dort viele „Modernisierungsverlierer“ gebe. Dies schaffe Spielraum für rechte Parteien. Davon hatte in der Vergangenheit auch die rechtsextreme NPD profitiert, die jetzt knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte.

Mit dem Niedergang der FDP geht für die Christdemokraten von Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Koalitionsoption verloren, womöglich auf Dauer. Ein Bündnis mit den Eurokritikern, bei denen es auch starke rechtspopulistische Tendenzen gibt, kommt für die CDU nicht infrage. „Das ist eine von Skandalen erschütterte Partei, die schlichtweg mit sich selbst beschäftigt ist“, sagte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich.

Ähnliches haben die Sozialdemokraten mit der aus der DDR-Staatspartei SED und westdeutschen Linken hervorgegangenen Linkspartei erlebt. Jene nahm ihnen Stimmen weg, kam aber wegen zu großer Gegensätze als Koalitionspartner - zumindest auf Bundesebene - nicht infrage. „Die AfD wird für die Union das, was die Linken für die SPD sind“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ in einem Kommentar - eine Konkurrenz, mit der man große Schwierigkeiten habe.

Nun debattieren die Christdemokraten, wie sie mit der AfD umgehen sollen. Hatte Bundestagsfraktionschef Volker Kauder nach der Europawahl noch gesagt, er würde sich mit AfD-Politikern in keine Talkshow setzen, forderte der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach am Montag seine Partei auf, sich mit der Partei auseinanderzusetzen und sie nicht länger totzuschweigen. Den „Stuttgarter Nachrichten“ sagte er, es habe erneut die Hoffnung getrogen, dass die AfD niemandem auffalle, wenn die CDU nicht über sie rede.