Privatsektor als Zukunft der Entwicklungshilfe?

Wien (APA) - „Geht‘s der Wirtschaft gut, geht‘s uns allen gut.“ Der Slogan, mit dem die Österreichische Wirtschaftskammer 2004 für sich warb...

Wien (APA) - „Geht‘s der Wirtschaft gut, geht‘s uns allen gut.“ Der Slogan, mit dem die Österreichische Wirtschaftskammer 2004 für sich warb, hat sich in den Köpfen eingeprägt. Und auch in der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) ist die Wirtschaft bzw. der Privatsektor in aller Munde. Der Ansatz, bei dem sowohl Geber- als auch Empfängerland profitieren, ist aber keineswegs ein Allheilmittel.

Die Entwicklung des privaten Sektors ist spätestens seit der UNO-Konferenz in Monterrey 2003 aus der staatlichen EZA nicht mehr wegzudenken. Zumindest wird seither der Nutzen, den beide Seiten aus der Zusammenarbeit ziehen, nicht mehr verschwiegen. Im Mittelpunkt steht das Ziel der Schaffung von Beschäftigungs- und zusätzlichen Einkommensmöglichkeiten in den Entwicklungsländern durch den Ausbau lokaler Wirtschaftsbereiche. Mit Hilfe der vermehrten Steuereinnahmen kann sich das Land irgendwann selbst finanzieren, so die Hoffnung. Gleichzeitig profitieren aber auch Unternehmen des Geberlandes. Es resultiert die viel gepriesene „Win-Win-Situation“.

„Noch vor 25 Jahren hätte ich eine Zusammenarbeit von Privatsektor und Entwicklungszusammenarbeit als Teufelsding bezeichnet“, sagt Helmut Asche, Professor am Institut für Afrikastudien an der Johannes Gutenberg Universität Mainz im Gespräch mit der APA. Mittlerweile ist der Privatsektor aber für den deutschen Experten aus der EZA nicht mehr wegzudenken. Denn mit klassischer Entwicklungshilfe alleine sei es schwierig, nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen. Kurz und bündig antwortet er deshalb auch auf die Frage nach Vorteilen der Kooperation von Privatwirtschaft und EZA: „Beschäftigung, Wachstum, Einkommen.“

Als Herausforderung ortet Asche das erhöhte Konfliktpotenzial, dass sich durch die Einbindung vieler unterschiedlicher Akteure ergibt. Nach Ansicht des früheren Direktors des Deutschen Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) in Bonn muss deshalb auch dafür Sorge getragen werden, dass gewisse politische Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung existieren. Vor allem die Handelspolitik bedürfe als „kritischer Bereich“ Reglementierung. Und für bestimmte Bereiche wie Gesundheit, Energie (Wasser/Strom) oder Bildung eigne sich zum Beispiel die staatliche Hand besser. Es sei also eine „branchenabhängige Frage“, ob der Privatsektor zur Entwicklung eines Landes beitragen kann. Die Integration des Privatsektors in die EZA als „Patentrezept“ zu verstehen, wäre jedenfalls falsch, betont Asche deshalb.

Dass ambitionierte Pläne der EZA oft durch die Handelspolitik der EU konterkariert wird, hat sich bereits in der Vergangenheit gezeigt. Als „neue Kolonialsprache“ schimpften Kritiker Abkommen wie beispielsweise regionale Freihandelsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPA). Auch Asche spricht von „teilweise verheerenden“ Auswirkungen der EPAs. Ebenso wie der Wissenschafter plädieren deshalb die Entwicklungsökonominnen Karin Küblböck und Cornelia Stariz für bessere internationale Rahmenbedingungen in punkto Privatsektorentwicklung.

Diverse Abkommen der vergangenen Jahrzehnte hätten tendenziell eher Vorteile für private Unternehmen gebracht, der politische Gestaltungsspielraum sei dadurch wesentlich eingeschränkt worden, schrieben die Expertinnen in der jährlichen Publikation der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) vom Vorjahr und warnen vor einseitig gelagerten Profiten. Für die erfolgreiche Implementierung entwicklungspolitischer Privatsektorstrategien müssten deshalb die institutionellen Voraussetzungen verbessert werden, die Zivilgesellschaft gestärkt sowie die Kohärenz zwischen Entwicklungs-, Handels- und Investitionspolitiken gefördert werden, so Kübelböck und Stariz.

Auch in Österreich ist die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor explizit im EZA-Gesetz von 2003 - es dient als Basis der Gründung der Austrian Development Agency (ADA), die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) - festgelegt. In ihren Leitlinien bezeichnet die OEZA den Privatsektor als Schlüssel für die Beschleunigung von Wirtschaftswachstum, das wiederum gezielt für Armutsbekämpfung genutzt werden kann.

Eine pulsierende Wirtschaft als Motor für Entwicklung also. Aber warum gehören dann Länder mit einem Wachstum von sechs bis sieben Prozent noch immer zu den ärmsten weltweit? Angola beispielsweise belegt im Index menschlicher Entwicklung (Human Development Index, HDI) der Vereinten Nationen den 148. Platz (von 186 insgesamt) - das Wirtschaftswachstum ist mit knapp sechs Prozent eines der höchsten weltweit. Ähnlich der Fall Nigeria. „Ressourcenfluch“ wird das in Fachkreisen genannt - Reichtum an Rohstoffen als Ursache für das Wachsen von Ungleichheit (wenige Superreiche, viele extrem Arme). Wie die EZA den „Fluch“ bekämpfen kann, ist noch wenig erforscht, erklärt Asche und ergänzt: „Die Dringlichkeit dieser Agenda ist aber sehr evident“.

„Geht‘s der Wirtschaft gut, geht‘s uns allen gut“ - der Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen (Beigewum) bezeichnete diese Aussage 2005 als einen der „zentralen Mythen der Ökonomie“. Das Bruttoinlandsprodukt als Indikator für wirtschaftlichen Wohlstand gebe nur beschränkt Auskunft über die allgemeine Lebensqualität einer Bevölkerung. Gerade deshalb sollte sich die EZA wohl niemals nur auf die Entwicklung des Privatsektors verlassen und kritisch betrachten, welche andere Bereiche förderns- und schützenswert sind. Oder anders formuliert: Die „development agenda“ muss der „business agenda“ vorangestellt werden - entwicklungspolitische Ziele müssen also wichtiger sein als rein ökonomische Interessen, zitiert Asche eine Aussage österreichischer Kollegen.

Eine langfristige Win-Win-Situation in Geber- und Empfängerland durch Entwicklung des Privatsektors herzustellen ist für den Professor deshalb „eine politische Kunst“. Völlige Liberalisierung könnte dem zuwiderlaufen und Privatsektorentwicklung dadurch in Misskredit geraten. Allheilmittel wird sie aber ebensowenig wie viele andere in der Vergangenheit als Patentlösungen angepriesene Ansätze sein.