Per Los zum Traumhäuschen
Dreiunddreißig Häuschen, die einander gleichen wie ein Ei dem anderen, wurden vor 80 Jahren im Innsbrucker Sieglanger eingeweiht. Der Obmann der Siedlergemeinschaft erzählt, wie’s früher war und heute ist.
Von Denise Daum
Innsbruck –Warum sollte nicht auch der Arbeiter, der sich tagsüber in stickiger, giftiger Werkstättenluft im Schweiße seines Angesichts abplacken und abrackern muß, am Feierabend seine Vordertürbank haben, auf der er geruhsam sein Pfeifchen genießen kann? Das schrieb der Tiroler Anzeiger am 29. Oktober 1934 zur Weihe der damaligen „Dollfuß-Siedlung“ im Westen Innsbrucks.
In Zeiten der Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Not wurden 33 identische Acht-mal-neun-Meter-Häuschen errichtet. Grundgedanke war, den Arbeitern ein Eigenheim zu ermöglichen. Jeder Siedler bekam einen Kredit von 4500 Schilling genehmigt, 500 musste er in bar beisteuern. Darüber hinaus mussten die zukünftigen Bewohner beim Bau selbst mitarbeiten bzw. einen Mann zur Verfügung stellen. Wer welches Haus bekommen wird, wusste niemand. Das entschied erst kurz vor dem Einzug das Los.
Zeitgleich mit der Einweihung wurde auch die Siedlergemeinschaft Sieglanger gegründet. Seit rund 15 Jahren ist Edi Seidl deren Obmann. „Der Bau hat die Leute zusammengeschweißt. Sie haben gemerkt, dass sie gemeinsam mehr erreichen. Die Siedlung war ja von der Stadt 45 Minuten Fußweg entfernt. Da haben sie gewusst, dass sie sich im Notfall gegenseitig helfen müssen. Deshalb wurde auch rasch eine eigene Freiwillige Feuerwehr gegründet. Außerdem haben die Siedler gemeinsam Geräte angeschafft und das Gemeinschaftsleben sehr hochgehalten“, erklärt Seidl.
Und dieser außergewöhnlich starke Zusammenhalt bestehe bis heute. „Alle haben einen großen Bezug zur Siedlung. Wir leben in ungefähr gleichen Verhältnissen, haben dieselbe Einstellung und dieselben Ziele. Das Gemeinschaftsleben haben wir beibehalten“, erklärt Seidl. Seine Gattin kann das nur bestätigen. „Ich bin als junge Frau hierhergekommen und wurde so herzlich aufgenommen, das war überwältigend“, erinnert sich Traudi Seidl zurück.
Edi Seidl lebt seit seiner Geburt im Sieglanger. Der Vater ist im Krieg gefallen. „Meine Mutter war als Witwe mit zwei Kindern in der Gemeinschaft sehr gut aufgehoben“, sagt Seidl. „Und jetzt leiste ich meinen Beitrag für die Gemeinschaft und möchte etwas zurückgeben.“ Zum 80-Jahr-Jubiläum hat sich der Obmann etwas ganz Besonderes ausgedacht: die Digitalisierung und aktuelle Ergänzung der Siedlerchronik, die in den 50er-Jahren der langjährige Obmann Edmund Schrettl handschriftlich angelegt hat. „Mittlerweile wohnt ja schon die zweite und dritte Generation der Gründer in den Häusern und viele wissen über die Gründerzeit und die Entwicklung kaum Bescheid“, erklärt Seidl.
Das 80-Jahr-Jubiläum wird morgen Sonntag mit einem großen Fest begangen. Um 9.15 Uhr erfolgt der feierliche Einzug von der Kirche zum Siedlerplatz. Nach der Begrüßung der Festgäste feiert die Pfarrgemeinde beim Siedlerkreuz, wo einst die Einweihung stattfand, den Feldgottesdienst. Im Anschluss wird im Pfarrzentrum zum gemütlichen Zusammensein geladen.