Kiew und Separatisten stellen Waffenruhe ab Freitag in Aussicht

Brüssel/Newport (APA/AFP/dpa/Reuters) - Am ersten Tag des NATO-Gipfels in Wales überschlagen sich die Ereignisse in der Ukraine. Nachdem der...

Brüssel/Newport (APA/AFP/dpa/Reuters) - Am ersten Tag des NATO-Gipfels in Wales überschlagen sich die Ereignisse in der Ukraine. Nachdem der ukrainische Präsident Petro Poroschenko die Einigung auf einen Friedensplan sowie eine Waffenruhe in Aussicht gestellt hat, erklärten sich auch die prorussischen Separatisten im Osten dazu bereit, dem zuzustimmen. Als Bedingungen nannten beide Seiten eine Zustimmung der jeweils anderen Seite.

Er werde eine Waffenruhe für Freitag ab 13.00 Uhr (Ortszeit, 12.00 Uhr MESZ) anordnen, falls das Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Minsk bestätigt werde, kündigte Poroschenko am Donnerstag am Rande des NATO-Gipfels in Newport an. In der weißrussischen Hauptstadt werden am Freitag Unterhändler der Ukraine, Russlands und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erwartet.

Auch die Regierungschefs der selbsterklärten „Volksrepubliken“ von Lugansk (Luhansk) und Donezk könnten die Anordnung für die Waffenruhe am Freitag um 15.00 Uhr (Ortszeit, 14.00 MESZ) erteilen. Bedingung sei, dass die Vertreter der Ukraine den von Russland vorgelegten Friedensplan unterzeichneten.

„Morgen könnte mit der Umsetzung des Friedensplans begonnen werden“, betonte Poroschenko. Ein Waffenstillstand sei der „erste Schritt zum Frieden“. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Mittwoch einen Sieben-Punkte-Plan zur friedlichen Lösung in der Ostukraine vorgestellt. Dieser sieht unter anderem die Entsendung internationaler Beobachter in die umkämpfte Ostukraine vor. Zunächst sollen Separatisten und Regierungstruppen ihre Kämpfe einstellen. Zudem ist darin ein Rückzug der ukrainischen Soldaten vorgesehen.

In der Ukraine selbst gingen jedoch ungeachtet der Waffenstillstandsankündigungen die Kämpfe unvermindert weiter. Die Einheiten der ukrainischen Armee in der Nähe der Hafenstadt Mariupol wurden nach Angaben aus Militärkreisen in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Ukrainische Soldaten sagten Journalisten der Nachrichtenagentur AFP, sie würden versuchen, einen Angriff gepanzerter Fahrzeuge der prorussischen Rebellen abzuwehren. „Wir leisten Widerstand, doch das ist sehr schwierig mit Gewehren gegen gepanzerte Fahrzeuge“, sagte ein ukrainischer Freiwilliger an einer Straßensperre am Rande der Stadt. Gleichzeitig waren mehrere Explosionen in der Nähe des Hafens zu hören.

Der Angriff der Separatisten war seit Tagen erwartet worden, nachdem diese mehrere Orte an der Straße zur russischen Grenze erobert hatten. Mariupol liegt am Asowschen Meer rund 50 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Die Separatisten hatten die Hafenstadt im Frühjahr unter ihre Kontrolle gebracht, doch wurde sie Mitte Juni von den Regierungstruppen wieder zurückerobert.

Beim NATO-Gipfel wurde indes ein härterer Ton gegenüber Moskau angeschlagen. „Russland greift die Ukraine an“, kritisierte Rasmussen kurz vor Poroschenkos Äußerungen. „Wir haben es mit einem dramatisch veränderten Sicherheitsumfeld zu tun“, warnte er. Man begrüße zwar alle Bemühungen Russlands für eine friedliche Lösung in der Ukraine, so der scheidende NATO-Chef im Hinblick auf den am gestrigen Mittwoch vom russischen Präsidenten Wladimir Putin präsentierten Sieben-Punkte-Plan. Als Reaktion auf diesen „sogenannten Friedensplan“, müsse er jedoch hinzufügen: „Was zählt, ist was wirklich vor Ort passiert.“

Wie ein NATO-Offizier am Rande des Gipfels in Wales erklärte, befinden sich derzeit nach Einschätzung des Militärbündnisses mehr als tausend russische Soldaten in der Ostukraine. Weitere etwa 20.000 russische Soldaten seien nahe der Grenze aufmarschiert. Zuletzt hatte die NATO lediglich von deutlich mehr als 1.000 russischen Soldaten gesprochen, die sich in den umkämpften Gebieten im Osten der Ukraine aufhielten.

Bei ihrem Treffen in Newport will die Allianz Stärke gegenüber Russland demonstrieren und der Regierung in Kiew Unterstützung signalisieren. Kurz vor Beginn der Gespräche traf der ukrainische Präsident Poroschenko mit US-Präsident Barack Obama, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Francois Holland und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi zusammen. Poroschenko sollte über die Lage in der Ostukraine und seinen Gesprächen mit Putin berichten.

Um die militärische Schlagkraft an der Ostgrenze des Bündnisses zu erhöhen, erwägt die NATO die Schaffung einer Schnellen Eingreiftruppe mit 4.000 Soldaten. Offen ist, ob die 28 Bündnispartner bereit sind, auch Verträge mit Russland aufkündigen. Darüber wird vor allem in den baltischen Staaten und Polen nachgedacht. Diese Staaten fühlen sich durch ein aggressives Russland bedroht und fordern dauerhafte NATO-Stützpunkte in ihren Ländern. Die Lage in der Ukraine habe einen Punkt erreicht, an dem sie sich nicht verteidigen kann, wenn sie nicht wirkliche Hilfe in verschiedenen Bereichen erhält“, bekräftigte der polnische Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak.

Eine Teilnahme Österreichs an der Schnellen Einsatztruppe der NATO sei „zur Stunde kein Thema“, betonte Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ). Einen Einsatz Österreichs für rotierende Operationen der NATO in Polen oder im Baltikum schloss Klug aus. Schweden und Finnland wollen beim NATO-Gipfel in Wales Abkommen unterzeichnen, die eine engere Zusammenarbeit mit der Schnellen Einsatztruppe der NATO (NRF) zum Ziel haben. Dem Vernehmen nach will Österreich zunächst abwarten, wie sich diese Partnerschaften weiter entwickeln.

Außenminister Sebastian Kurz betonte indes in einer Aussendung, dass die Menschen in der Ukraine ein Recht auf humanitäre Hilfe und ein Ende der Kampfhandlungen hätten und „dass die dafür Verantwortlichen sachlich und vernünftig mit Friedensverhandlungen beginnen“ sollten. Die jüngsten Gespräche zwischen Putin und Poroschenko wertete Kurz als „positiv“, hielt aber eine „Portion Skepsis“ für angebracht.

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