Bilfinger schockierte erneut mit Gewinnwarnung

Mannheim (APA/Reuters) - Nur einen Monat nach dem Rücktritt des Ex-Politikers Roland Koch als Bilfinger-Chef hat der Industriedienstleister ...

Mannheim (APA/Reuters) - Nur einen Monat nach dem Rücktritt des Ex-Politikers Roland Koch als Bilfinger-Chef hat der Industriedienstleister noch größere Probleme in der kriselnden Energiesparte offenbart und die Gewinnprognose erneut gesenkt. Interims-Chef Herbert Bodner erschreckte die Anleger mit der dritten Gewinnwarnung innerhalb kurzer Zeit, nachdem Koch wegen der zweiten Korrektur im August den Hut nehmen musste.

Die erneute Prüfung habe einen weiteren Rückgang des operativen Gewinns um 80 Mio. Euro auf rund 270 Mio. Euro ergeben. Das liegt nicht nur am Auftragseinbruch durch die Energiewende in Deutschland, sondern auch an hausgemachten Problemen des Mannheimer Konzerns, wie Bodner am Donnerstag einräumte.

An der Börse trennten sich die Anleger in Scharen von Bilfinger-Aktien. Die im MDax gelisteten Titel brachen in der Spitze um mehr als elf Prozent auf ein Vier-Wochen-Tief von 52,77 Euro ein. Seit der ersten Gewinnwarnung Ende Juni büßten die Bilfinger-Aktien rund 35 Prozent an Wert ein. „Das Vertrauen in das Unternehmen erscheint vorerst stark beschädigt“, schrieb Thomas Klee, Kreditanalyst von der Landesbank Baden-Württemberg.

Offensichtlich habe der Bilfinger-Vorstand die Auswirkungen der Energiewende und die Lage im Öl- und Gassektor Europas unterschätzt. „Die Frage ist, ob es bei dieser Gewinnwarnung bleiben wird, oder ob noch mehr nachkommt“, fasste Carsten Hilck, Fondsmanager bei der Union Investment, die Sorgen vieler Investoren zusammen. Die Fondsgesellschaft war schon nach der ersten Gewinnwarnung bei Bilfinger ausgestiegen.

Bodner zufolge ist der Prognose-Kehraus für dieses Jahr beendet. „Wir brauchen keine weiteren Enttäuschungen“, versicherte er. Die Aktionäre können sich allerdings nicht darauf verlassen, dass wie bisher die Hälfte des Nachsteuergewinns als Dividende ausgeschüttet wird. „In diesem Jahr backen wir kleinere Brötchen“, sagte Bodner. 2014 solle ein Ausrutscher bleiben und der Gewinn wieder kontinuierlich steigen. Der Österreicher hatte Bilfinger vor Kochs Antritt 2011 zwölf Jahre lang geführt. Unter seiner Ägide wandte sich der Traditionskonzern von seinem angestammten Baugeschäft ab und sattelte auf technische Dienstleistungen um, um nicht mehr so stark von der Konjunktur abhängig zu sein. Nach Kochs Abgang übernahm das Aufsichtsratsmitglied den Chefsessel erneut, befristet bis längstens Ende Mai.

REIBEREIEN IM MANAGEMENT

Nach Aussage von Bodner hat die Bredouille mehrere Ursachen. Aufträge für Konstruktion und Wartung von Kraftwerken brechen wegen der Energiewende in Deutschland, die auch auf Nachbarländer ausstrahlt, weg. Koch hatte zudem den Umbau vorangetrieben und die Struktur des Unternehmens grundlegend umgekrempelt. Die früher sehr unabhängig arbeitenden Sparten in dem durch Dutzende Firmenkäufe gewachsenen Konzern sollten eng zusammenarbeiten. Der frühere hessische Ministerpräsident hatte zu seinem „einvernehmlichen“ Ausscheiden von Differenzen über weitere Schritte im Unternehmen gesprochen. Nach Bodners Darstellung führte die neue Führungsstruktur mit 14 Divisionen und einer stärkeren zentralen Kontrolle zu Reibereien, die das Geschäft stärker lähmten als gedacht. „Die Leute müssen sich erst daran gewöhnen, zusammen zu arbeiten und zu kämpfen.“ Auch hätten die Manager zu optimistische Prognosen abgegeben.

Bodner rechnet für 2014 daher nur noch mit einem bereinigten Ergebnis (Ebita) aus fortzuführenden Aktivitäten von mindestens 270 Mio. Euro bei einem Umsatz von 7,7 Mrd. Euro. Hinzu kommt noch eine Abschreibung von 30 Mio. Euro auf eine Fertigungsanlage für Windkraftanlagen in Polen. Erst Anfang August hatte Bilfinger die Prognose um 40 Mio. Euro auf 340 bis 360 Mio. Euro gesenkt und zugleich die Trennung von Koch bekanntgegeben. Aufsichtsratschef Bernhard Walter will vor dem Ende von Bodners Einsatz einen neuen Vorstandschef finden. Bodner soll Walter voraussichtlich im kommenden Jahr als Aufsichtsratschef beerben.

STRATEGIE UNVERÄNDERT

Trotz der Krise in der Kraftwerkssparte will Bodner an den drei Geschäftsfeldern Energie, Industrie sowie Bau/Immobilien festhalten und weiter auf Ingenieur-Dienstleistungen setzen. „Natürlich wird es Nachschärfungen geben müssen, aber eine Änderung der Strategie ist nicht zu erwarten“, sagte er.

Eine neue mittelfristige Prognose soll es Ende Oktober geben. Koch hatte sich zu seinem Antritt 2011 ehrgeizige Gewinnziele für seine Vertragslaufzeit bis 2016 gesetzt. Bodner sagte, derart präzise Fünfjahresziele seien nicht mehr sinnvoll, da die Unsicherheit am Markt zu groß sei. Zur kriselnden Energiesparte sagte Bodner aber schon jetzt, dass im kommenden Jahr kaum mit Wachstum zu rechnen sei, sondern auf konstantem Umsatzniveau die Rendite gesteigert werden müsste. Zusätzlich zu den schon angekündigten 300 Stellenstreichungen könne es noch Personalabbau geben, aber es werde kein großer Sparbesen herausgeholt. Nach Einschätzung von Fondsmanager Hilck werden noch mehr Jobs in der Energiesparte wegfallen.

~ ISIN DE0005909006 WEB http://www.bilfinger.com/ ~ APA474 2014-09-04/17:25