EZB überrascht mit erneuter Zinssenkung und Ankaufsprogramm

Frankfurt/Wien (APA/Reuters) - Die Europäische Zentralbank (EZB) drückt das geldpolitische Gaspedal im Kampf gegen die Wirtschaftskrise aber...

Frankfurt/Wien (APA/Reuters) - Die Europäische Zentralbank (EZB) drückt das geldpolitische Gaspedal im Kampf gegen die Wirtschaftskrise abermals kräftig durch. Mit einer überraschenden Zinssenkung auf das neue Rekordtief von 0,05 Prozent und zusätzlichen milliardenschweren Geldspritzen will EZB-Präsident Mario Draghi die schlappe Konjunktur in der Währungsunion anschieben und die niedrige Teuerung anheizen.

Ab Oktober werde die EZB Banken Kreditverbriefungen und auch Pfandbriefe in großem Stil abkaufen, sagte der Italiener am Donnerstag und bestätigte damit Informationen von Reuters. Die Details sind aber noch offen. Die Maßnahmen sollen Banken dazu ermuntern, wieder mehr Kredite an kleine und mittelständische Firmen vor allem im Süden der Euro-Zone zu vergeben. Gekauft werden sollen nicht nur Verbriefungen auf Basis von Krediten an Konsumenten, sondern auch auf Basis von Hypotheken, wodurch das potenzielle Volumen kräftig steigt.

Den Investoren an den Finanzmärkten reichte schon die bloße Ankündigung und die Aussicht auf viel frisches Geld: In Frankfurt legte der Aktienindex DAX ein Prozent zu und ging mit dem höchsten Kurs seit sechs Wochen aus dem Handel. Der Euro sackte auf unter 1,30 Dollar ab - den niedrigsten Stand seit mehr als 14 Monaten.

Nach den Worten von EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny haben die Euro-Hüter am Donnerstag ihren Doppelschlag aus weiteren Zinssenkungen und einem Kick-off für den Ankauf gebündelter Kredite (ABS) wegen des nur sehr verhaltenen Konjunkturaufschwungs und der unter den Erwartungen liegenden Inflation gesetzt, wie er am Donnerstagabend zur Austria Presse Agentur (APA) sagte.

Die EZB bemühe sich, mehr Geld in Richtung Realwirtschaft zu bringen, so Nowotny, denn: „Speziell beunruhigt uns, dass wir im letzten Quartal in den drei großen Volkswirtschaften der Eurozone - Deutschland, Frankreich und Italien - eine Stagnation hatten“, sagte das EZB-Ratsmitglied zur APA.

Die EZB senkte am Donnerstag ihre Wachstums- und ihre Inflationsprognose für heuer. Die Notenbank erwartet nun für 2014 eine Jahres-Teuerung von 0,6 Prozent, für 2015 von 1,1 Prozent und für 2016 von 1,4 Prozent. Im Juni hatte die Notenbank für 2014 noch eine Inflationsrate von 0,7 Prozent vorhergesagt, die Prognosen für 2015 und 2016 wurden nicht angepasst.

Beim Wachstum in der Eurozone rechnet die EZB für heuer nur noch mit 0,9 Prozent Wachstum. 2015 dürfte die Wirtschaft mit 1,6 Prozent und 2016 mit 1,9 Prozent wieder etwas stärker anziehen. Im Juni hatte die EZB der Eurozone noch ein Wachstum von 1,0 Prozent im laufenden Jahr und von 1,7 Prozent 2015 zugetraut. Die Prognose für 2016 wurde von bisher 1,8 Prozent leicht angehoben.

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, begrüßte die Schritte der EZB. Sie könnten dabei helfen, den Gefahren zu begegnen, die durch eine anhaltende Phase niedriger Inflation entstehen könnten, erklärte Lagarde laut AFP. Die EZB hat nun kaum Optionen mehr, außer massenhaft Staats- oder Unternehmensanleihen aufzukaufen, um Geld in die Wirtschaft zu pumpen - eine Medizin mit großen Risiken und Nebenwirkungen.

Draghi hielt sich auch die Möglichkeit für Anleihekäufe offen: „Sollte es nötig werden, auf Risiken einer zu langen Periode niedriger Inflation zu reagieren, ist sich der EZB-Rat in der Entschlossenheit einig, zu weiteren unkonventionellen Maßnahmen im Rahmen seines Mandats zu greifen.“

Der in Deutschland und vor allem von der Deutschen Bundesbank extrem kritisch gesehene Aufkauf von Staatsanleihen - im Fachjargon Quantitative Easing (QE) genannt - sei besprochen worden, sagte Draghi. Die Entscheidung für die neuerliche Leitzinssenkung sei nicht einstimmig gewesen. Für die übrigen Maßnahmen habe es eine „komfortable Mehrheit“ gegeben. Einige Ratsmitglieder hätten mehr, andere weniger tun wollen.

Für Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer ist das jetzt beschlossene Maßnahmenbündel deshalb eine „Ouvertüre“ für QE. Er geht davon aus, dass Draghi Anfang 2015 noch eins drauf legt und die Notenpresse rotieren lässt, wie dies schon die US-Notenbank Federal Reserve und die Zentralbanken Großbritanniens und Japans in den vergangenen Jahren getan haben.

Draghi hatte den Rat zuletzt selbst mit dem Versprechen in Zugzwang gebracht, die EZB werde „alle verfügbaren Mittel“ einsetzen, um zu verhindern, dass die Wirtschaft in eine Spirale fallender Preise und nachlassender Investitionen abgleitet. Im August lag die Teuerung in der Euro-Zone nur noch bei mageren 0,3 Prozent - die EZB spricht aber nur bei knapp unter zwei Prozent von stabilen Preisen. Sie hatte erst im Juni ihren Leitzins auf 0,15 Prozent gekappt und darüber hinaus Maßnahmen beschlossen, mit denen sie ab dem Herbst die Kreditvergabe ankurbeln will - alleine in diesem Jahr sollen 400 Milliarden Euro an Banken fließen.

Das grundsätzlich von der EZB schon im Juni beschlossene „Targeted LTRO-Programm“ soll Anreize geben für Geschäftsbanken, Kredite an Unternehmen zu vergeben. Dieses Kreditprogramm für zusätzliche Ausleihungen speziell an Klein- und Mittelbetriebe (KMU) solle Mitte dieses Monats, also im September, in Kraft treten, sagte Nowotny.

Wie viele Milliarden die EZB mit ihren am Donnerstag beschlossenen Wertpapierkäufen in die Wirtschaft pumpen wird, ließ Draghi offen. Er sagte allerdings, die Bilanz der Notenbank werde wohl wieder auf ein Niveau aufgebläht, wie sie es auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise 2012 schon hatte. Damals hatten sich die Banken der Euro-Zone bei der EZB gut eine Billion Euro geliehen, um einen akuten Liquiditätsengpass zu verhindern. Mit den Beratungen hinter den Kulissen vertraute Personen hatten Reuters gesagt, das jetzt von der EZB angepeilte zusätzliche Volumen belaufe sich auf bis zu 500 Milliarden Euro - über mehrere Jahre gestreckt.

~ WEB http://www.ecb.int ~ APA544 2014-09-04/19:49