Katalonien-Unabhängigkeit - Gegner: „Tiefer Riss in der Gesellschaft“
Madrid/Barcelona (APA) - Die Unabhängigkeitsbestrebungen katalanischer Politiker verursachen einen tiefen Riss in der Gesellschaft, der oft ...
Madrid/Barcelona (APA) - Die Unabhängigkeitsbestrebungen katalanischer Politiker verursachen einen tiefen Riss in der Gesellschaft, der oft bis in die Familien hineingeht. Dies kritisieren Gegner der von Kataloniens Premier Artur Mas angestrebten Loslösung von Spanien. Auch erfahre die Bevölkerung nicht genug über mögliche Konsequenzen, meinte Susana Beltran von der NGO „Societat Civil Catalana“ in einem APA-Gespräch.
„Societat Civil Catalana“ wurde im März 2014 gegründet und versteht sich als Gegenpol zu den politischen und zivilgesellschaftlichen Bewegungen, die eine Eigenstaatlichkeit und in Folge auch die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien anstreben. Am 9. November will Mas seine engeren Landsleute darüber befragen. Die Gegner des Sezessionsbestrebungen sind aber der Meinung, dass es weit wichtigere Probleme zu lösen gebe, etwa die Frage, wie die Jugendarbeitslosigkeit gemeinsam bekämpft werden kann.
In der „Societat Civil Catalana“ haben sich verschiedene Sektoren („Journalisten, Akademiker, Wirtschaftsleute...“) aus unterschiedlichen ideologischen Richtungen zusammengeschlossen, um das Konzept des spanischen Gesamtstaates zu verteidigen, so Beltran. Im Falle einer Unabhängigkeit wird unter anderem eine weitere „Katalanisierung“ und damit eine zunehmende „nationalistische Engstirnigkeit“ befürchtet, so die Vorsitzende Susana Beltran.
Zwar hätten die verschiedenen spanischen Regierungen in Madrid der vergangene Jahre - vor allem aber die aktuelle des konservativen Premiers Mariano Rajoy (Partido Popular) in Bezug auf Katalonien viele Fehler gemacht („Es gibt überhaupt kein Verständnis“), doch seien noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, über einen „dritten Weg“ nachzudenken, so die Juristin.
Dieser „dritte Weg“ würde eine umfassende Reform der spanischen Verfassung hinsichtlich der Machtkompetenzen oder der Steuerhoheit erforderlich machen, könnte das Verhältnis zwischen Barcelona und Madrid aber in einem weiter gemeinsam gestalteten Staatsgebilde neu ordnen. „Allerdings müssten dazu beide Seiten zu Gesprächen bereits ein.“
Die von Mas angekündigte Volksbefragung sei insoferne illegal, weil eine derartige Option rechtlich nicht vorgesehen sei und daran nur die Bürger Kataloniens teilnehmen dürften, kritisierte die Rechtswissenschafterin gegenüber der APA. „Die Emotionen unserer spanischen Landsleute werden überhaupt nicht beachtet“, sagte die Mittvierzigerin. Zudem würden in Barcelona auch viele Menschen leben, die im Zuge verschiedener Arbeitsmigrationswellen in den vergangenen Jahren aus Spanien, Lateinamerika oder anderen Weltgegenden nach Katalonien eingewandert seien.
Um Missverständnisse zu vermeiden, betont Beltran aber, dass sie gebürtige Katalanin sei und sich auch als solche fühle. Allerdings empfinde sie den Umstand, dass sie zudem Spanierin sei, als Bereicherung. „Ich weiß nicht, ob ich in einem unabhängigen Land, in dem nur noch Katalanisch gesprochen wird, leben will. Wir wissen ja nicht, wer dann unsere Kultur bestimmen wird. Vielleicht wandere ich dann lieber aus.“
Zudem haben es die katalanische Politiker bisher verabsäumt, der Bevölkerung die tatsächlich drohenden Konsequenzen ihres separatistischen Weges vor Augen zu führen, meinte die Vorsitzende der „Societat Civil Catalana“. Rein rechtlich sei genau definiert, dass Katalonien ab dem Moment, in dem die Unabhängigkeit erklärt werde, kein EU-Mitglied mehr ist. „Das ist für uns sonnenklar. Die Politiker reden bei diesem Thema aber immer nur um den heißen Brei herum. Für die Wirtschaft wäre das aber katastrophal“.
Zudem werde das Thema in den katalanischen Medien äußerst einseitig behandelt. „Es ist etwa immer die Rede davon, dass die katalanische Sprache in Gefahr ist. So ein Unsinn!“. Dieser „Unsinn“ sei aber unter anderem darauf zurückzuführen, dass die lokalen Medien Förderungen von der Regionalregierung erhalten würden. „In spanischen Medien ist die Berichterstattung teilweise viel differenzierter.“
Zudem warnt Susana Beltran vor einem Schnellschuss. In Spaniens Politik sei derzeit doch vieles in Bewegung geraten. So hätten die Europawahlen im vergangenen Mai gezeigt, dass die alten Politkrusten aufgebrochen würden. „Die Leute wählen nicht mehr nur die Sozialisten oder die Konservativen.“ Zwar hätten in Katalonien jene Kräfte gewonnen, die für die Unabhängigkeit eintreten, spanienweit habe sich aber beispielsweise mit der politischen Plattform „Podemos“, hinter der die Protestbewegung „Indignados“ („Die Empörten“) steht, etabliert.
Dies sei doch ein Zeichen, dass bald auch in Madrid ein neuer, verständnisvollerer, problembewussterer und damit für die Katalanen günstigerer Wind wehen könnte. Und dann sei da noch der neue König Felipe VI.: „Er spricht Katalanisch, er ist dem Volk sehr nah. Er hat Kredit hier und ist ein guter Diplomat. Wenn er Interesse zeigt, oft hierherkommt, symbolische Akte setzt, etwa Katalanisch auch außerhalb Spaniens zu vertreten, kann er die Stimmung schon beeinflussen.“
(Das Gespräch führte Edgar Schütz/APA in Barcelona)