Aggression statt Respekt: Flüchtlinge klagen über Missstände
Die massiven Gewaltvorwürfe gegen Sicherheitspersonal in deutschen Flüchtlingsheimen wiegen schwer. Während die Polizei ermittelt, berichten die Bewohner einer Essener Notunterkunft von Gewalt und schlechten Lebensbedingungen.
Burbach – Sie kommen nach Deutschland, um sich vor Krieg und Gewalt in ihrer Heimat zu retten - und landen hier in den Fängen brutaler Sicherheitsleute. Im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen sind in einer Flüchtlingsunterkunft mindestens zwei Männer von Mitarbeitern eines privaten Wachdienstes misshandelt und gedemütigt worden.
Der Skandal scheint sich auszuweiten. In mindestens drei Unterkünften soll es zu Misshandlungen gekommen sein. In Burbach im Siegerland stieg die Zahl der beschuldigten Wachmänner von vier auf sechs, hinzu kamen am Montag Verdachtsfälle in Essen und Bad Berleburg.
„Bilder, wie man sie aus Guantanamo kennt“
Die Täter filmten und fotografierten sich dabei sogar per Handy. Die Aufnahme n sind schockierend. Ein junger Mann liegt gefesselt am Boden, den Fuß eines Wachmanns im Nacken, sein Kollege posiert daneben. Im Fall Burbach habe man anhand ihrer Stimmen die beiden Wachmänner ermitteln können, die einen Flüchtling gezwungen haben sollen, sich auf eine mit Erbrochenem verschmutzte Matratze zu legen. „Das sind Bilder, die man sonst nur aus Guantanamo kennt“, sagt der Hagener Polizeipräsident Frank Richter mit Blick auf das umstrittene US-Gefangenenlager.
Flüchtlinge beklagen schlechte Zustände
„Sie behandeln uns wie Tiere“, sagt Dendawi Reda aus Algerien. Zusammen mit rund 500 weiteren Flüchtlingen lebt er seit einiger Zeit in einer Notunterkunft in Essen, die das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen vor acht Wochen in einem ehemaligen Krankenhaus eingerichtet hat. Am Tag nach dem Bekanntwerden der Gewaltvorwürfe gegen Wachpersonal machen die Bewohner auf dem Hof ihrer Unzufriedenheit Luft. Es sei dreckig, das Essen mies. Immer wieder berichten sie auch von Aggression und Übergriffen der privaten Sicherheitskräfte. Zwei Anzeigen hat es bei der Essener Polizei in diesem Zusammenhang gegeben.
„Das ist doch hier kein Gefängnis, oder?“
Auch Yousra Fakitt ist zur Polizei gegangen. Die Frau aus dem Libanon berichtet davon, wie ein Sicherheitsmann ihr eine Tür in die Schulter gerammt habe, nachdem es zu einem Streit über eintönige Mahlzeiten gekommen sei. „Sie schreien dich an, behandeln dich überhaupt nicht mit Respekt“, klagt die Journalistin und Mutter eines 13-jährigen Sohnes. Andere berichten von Beschimpfungen und Schlägen, weil sie zu später Stunde nicht zurück in die Unterkunft wollten. „Das ist doch hier kein Gefängnis, oder?“, fragt Dendawi.
Vor den Augen der Presse macht sich der stellvertretende Regierungspräsident Volker Milk selbst ein Bild. Er testet die ihm präsentierte Tiefkühl-Mahlzeit „Tafelspitz in Meerrettich-Soße“ und sieht im Flur gerade noch den Putztrupp verschwinden. „Ich habe mich davon überzeugen können, dass dies eine durchaus menschenwürdige Unterkunft ist - auch wenn es sicherlich nur eine Notunterkunft ist“, sagt er anschließend. „Sie sollten jeden Tag kommen“, sagt ein Bewohner zu den anwesenden Journalisten, „dann wird hier auch geputzt“.
300 Einsätze in einem Jahr
Nach Bekanntwerden der Vorfälle haben sich weitere Flüchtlinge gemeldet, die der Polizei von Übergriffen berichteten, sagt Ricardo Sichert, Leiter der Einrichtung. Seit Freitag ermittelt die Polizei wegen fünf angezeigter Gewalttätigkeiten in dem Heim. In drei Fällen soll das Sicherheitspersonal beteiligt gewesen sein.
Sicher fühlen sich die Flüchtlinge in Burbach aber weiterhin. „Wir sind froh, in Deutschland zu sein“, sagen viele. Dass dort seit Samstag neues Sicherheitspersonal eingesetzt wird, macht sie aber froh: „Vorher blöd, jetzt gut“, sagt einer in gebrochenem Deutsch.
Inzwischen mehren sich die Stimmen, dass viele der Probleme in Burbach auch mit Alkohol zu tun haben könnten. Einige Flüchtlinge bemängeln, dass ihre Mitbewohner für die Schwierigkeiten auch selbst verantwortlich seien, weil sie immer betrunken seien.
Die Polizei musste hier häufig eingreifen - mal wegen Diebstahl, aber auch wegen kleinerer und größerer Auseinandersetzungen. 300 Einsätze habe es dort gegeben, seit das Heim vor einem Jahr öffnete, so die Polizei. Bei einigen Auseinandersetzungen seien auch Sicherheitsleute beteiligt gewesen. In welcher Rolle, das prüft nun die Polizei. (dpa)