Ljutwi Mestan - Die große Unbekannte im bulgarischen Wahlrebus

Sofia (APA) - Ljutwi Mestan gilt mit seiner „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ (DPS), der Partei der türkischen Volksgruppe, als Königsmac...

Sofia (APA) - Ljutwi Mestan gilt mit seiner „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ (DPS), der Partei der türkischen Volksgruppe, als Königsmacher bei der bulgarischen Parlamentswahl. In Wahlkampfauftritten betont er immer wieder, dass die anderen Parteien nicht um die DPS herumkommen und genießt es sichtlich, die große Unbekannte im bulgarischen Koalitionspoker zu sein.

Mestan übernahm die DPS-Spitze, als sich Parteigründer Achmed Dogan im Jänner 2013 nach 24 Jahren aus der aktiven Politik zurückzog. Inoffiziell sind sowohl die Parteizentralen in Sofia, als auch die Mehrheit der Bürger in Bulgarien davon überzeugt, dass Mestan keinen eigenen politischen Kurs fährt, sondern eine Marionette seines „Ziehvaters“ Dogan ist.

Ljutwi Mestan gehört der türkischen Minderheit in Bulgarien an, die knapp zehn Prozent der Bevölkerung ausmacht. Der heute 54-jährige studierte Jurist gehört seit 1997 dem Parlament in Sofia an. Mit seiner Wahl zum Parteichef wurde er auch zum Fraktionsvorsitzenden bestimmt und ging nach den vorgezogenen Parlamentswahlen 2013 die Regierungskoalition mit der sozialistischen Partei ein, ohne einen Koalitionsvertrag zu unterzeichnen. Unabhängig vom Wahlausgang am 5. Oktober erwarten die politischen Beobachter in Sofia nicht, dass Mestans liberale Partei einen Koalitionsvertrag mit dem als sicher geltenden Wahlsieger GERB abschließen wird.

Bei seinen Wahlkampfauftritten betont Mestan immer wieder, dass die DPS ein „unausweichlicher Faktor“ in der bulgarischen Politik sei. Die Versuche, die Partei aus dem politischen Leben des Landes zu isolieren, seien gefährlich und lehnen die „multikulturelle Demokratie“ in Bulgarien ab. Die DPS sei als Garant für den ethnischen Frieden in Bulgarien und somit als ein „strategischer Vorteil“ in der heutigen gespaltenen Welt und ein „Musterbeispiel mit Exportpotential“ in andere Länder der Region und der Welt anzusehen.

Wie schon bei den EU-Wahlen im Mai geriet Mestan auch im Wahlkampf für das Votum am 5. Oktober in die Kritik wegen seiner oft in türkischer Sprache abgehaltenen Wahlkampfreden, was gegen das bulgarische Wahlgesetz verstößt. Die türkische Sprache wird zwar Muttersprachlern in der Schule gelehrt, ist jedoch keine offizielle Amtssprache in Bulgarien.

Für Aufruhr sorgte auch ein Treffen des DPS-Vorsitzenden mit dem frisch gewählten türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara am 12. September, als der offizielle einmonatige Wahlkampf für die Parlamentswahlen in Bulgarien bereits angelaufen war. „Der Dialog zwischen dem Parteivorsitzenden der DPS und dem türkischen Staatspräsidenten ist etwas Natürliches. Das Gegenteil wäre besorgniserregend“, kommentierte Mestan. Ihm zufolge standen die bilateralen Beziehungen zwischen beiden Nachbarstaaten Bulgarien und Türkei im Mittelpunkt der Unterredungen.

Mestans politische Gegner und die Kritiker der DPS werfen dem Parteichef vor, er hole sich politische Unterstützung aus dem Ausland. Gemeint ist das Wahlverhalten von rund 180.000 Doppelstaatsbürgern, die nach dem Fall des Kommunismus das Land verlassen hatten. Die Emigranten sind berechtigt, an Wahlen in beiden Ländern teilzunehmen. Die Zahl der Wahllokale in der Türkei stieg von 86 im vergangenen Jahr auf 136 für die bevorstehenden Parlamentswahlen.

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