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„Ello“: Neues soziales Netzwerk fängt Facebook-Frustrierte ab

Ein graues Mäuschen namens „Ello“ will es mit dem blauen Riesen Facebook aufnehmen. Ein Vorhaben, das angesichts innovativer Ideen nicht von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist.

Von Tamara Stocker

Einskommaviermilliarden. So liest sich die derzeitge Anzahl an aktiven Nutzern bei Facebook. Innerhalb von zehn Jahren hat sich das Portal zum weltweit größten sozialen Netzwerk gemausert und vielen bis dahin erfolgreichen Plattformen den Rang abgelaufen. Dennoch versuchen Entwickler immer wieder aufs Neue, es mit dem blauen Riesen aufzunehmen.

Ello auf einen Klick

>>> http://www.ello.co

Das soziale Netzwerk Ello ist derzeit nur per Einladung zugängig. Ein Starttermin für den öffentlichen Betrieb ist noch nicht bekannt.

Der jüngste Herausforderer wurde im Juli 2014 in den Ring geschickt und trägt den Namen „Ello“, ein Kürzel für „Hello“. Begrüßt wird das soziale Netzwerk derzeit von zahlreichen Facebook-Flüchtlingen. Aber steht uns wirklich eine digitale Massenwanderung bevor, oder verabschiedet sich Ello bald wieder mit einem leisen „Goodbye“?

Nutzer soll kein Produkt sein

Auf den ersten Blick erscheint Ello als hipper Gegenentwurf zu Facebook. Schaut man allerdings ein bisschen genauer hin, fühlt man sich etwas alleingelassen. Das Design wirkt individualistisch, viele leere Flächen, auf denen runde Icons spärlich verteilt sind. Weiß, Grau und Schwarz sind die dominierenden Farben. Scrollt man auf der tristen Startseite ein wenig nach unten, stößt man sogleich auf das Manifest des Netzwerks. Darin zu lesen sind Bekenntnisse zu Datenschutz, Zensur- und Werbefreiheit. Die Verlautbarung versteht sich als öffentlicher Seitenhieb und endet mit den Worten „Du bist kein Produkt“. Am Ende hat man die Möglichkeit, dem Manifest zuzustimmen oder nicht. Wer ablehnt, den leitet Ello direkt zu den Datenverwendungsrichtlinen von Facebook weiter.

Basisfunktionen ausständig

Ello beschreibt sich selbst als „einfach, schick und werbefrei“ und wirbt mit Datenschutz und Transparenz. Trotz dieser innovativen Ideen, handelt es sich bei Ello wahrlich um kein revolutionäres Feature-Monster. Basisfunktionen anderer Netzwerke sind nicht vorhanden. Keine Privatnachrichten, keine Fotoalben, keine Videos, keine Musik - noch herrscht dort große Stille. Auch eine App ist noch ausständig.

Man kann Follower sammeln oder selbst zum Follower werden und Beiträge kommentieren. Statt auf „Likes“ baut Ello auf „Views“. Nutzer, denen man folgt, kann man in „Friends“ und „Noise“ einteilen. Letztere sind Profile, von deren Inhalte man sich nur manchmal berieseln lassen möchte. Der Nutzer bestimmt also selbst, was er oder sie sehen möchte. Auch das Posten von Nacktbildern ist erlaubt, sofern es mit dem Vermerk „NSFW“ (not safe for work“) gekennzeichnet wird.

Finanzierung durch Nutzer

Zudem sind alle Profile öffentlich zugänglich, die Möglichkeit unerwünschte Gesellen zu blockieren, gibt es (noch) nicht. Ganz allgemein wirkt die Website an vielen Enden unfertig, doch diesen Zustand möchten die Entwickler schnellstmöglich ändern. Die „Feature-List“ gibt Einsicht in geplante Vorhaben, die nach und nach abgearbeitet werden. Und das führt uns bereits zum nächsten Punkt - der Finanzierung.

Derzeit finanziert sich Ello rein durch Fremdkapital. Die Venture-Capital-Firma „Fresh Tracks Capital“ hat den sieben Gründern eine Finanzspritze in Höhe von etwa 480.000 Dollar zukommen lassen. Dieses Geld muss irgendwann wieder zurückwandern. Da Ello aber auf jegliche Werbeschaltung verzichtet, sollen Nutzer das Netzwerk künftig finanzieren und für zusätzliche „Premium-Funktionen“ kleine Beträge zahlen. Kritiker sehen in diesem Vorhaben allerdings einen Widerspruch mit den Grundsätzen des Netzwerks. „Wenn man Risikokapital annimmt, stellt sich die Frage gar nicht mehr, ob man seine Nutzer verkauft. Man hat es schon. Das nennt man Exit-Plan“, schreibt Internet-Aktivist Aral Balkan auf seinem Blog.

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Weg von Facebook, hin zur Alternative

Das Unternehmen spricht seit einigen Tagen von etwa 27.000 neuen Nutzern pro Stunde. Grund für den plötzlichen Hype war vor allem die in der Kritik stehende Klarnamen-Pflicht auf Facebook. Zahlreiche Profile von Dragqueens wurden gelöscht, was eine Welle der Empörung in der schwulen und lesbischen Community auslöste. Ello holt seine Nutzer offenbar dort ab, wo Facebook sie im Stich lässt. Es wäre nicht das erste soziale Netzwerk, das von einer kleinen Welle schlechten Karmas profitieren würde. Doch meist erweisen sich die Fehltritte Facebooks als kurze Impulse, die nach kurzer Zeit verblassen.

Dabei möchte Ello selbst gar nicht als Facebook-Killer gesehen werden. Wahrlich ist das Vorhaben, Facebook vom Thron stoßen zu wollen, ein mutiges, schier unmögliches. Etwa vergleichbar mit dem Versuch, Google als Suchmaschine ersetzen zu wollen. Dass das Ende jedoch irgendwann naht, musste dieser Tage auch Googles erstes soziales Netzwerk „Orkut“ erfahren, welches nach über zehn Jahren eingestellt wurde. Auch der Yahoo-Verzeichnisdienst muss bis Ende des Jahres daran glauben, galt jedoch in der Anfangszeit des WWW als zentrale Anlaufstelle für Information im Internet.

Fazit: Derzeit steht Ello dem blauen Riesen Facebook noch als graues Mäuschen gegenüber. Das soziale Netzwerk steht allerdings noch in den Startlöchern. Der Grundgedanke verspricht viel Positives, man darf also gespannt sein ob sich das Projekt zur ernstzunehmenden Alternative mausert, oder als farbloser Aufenthaltsraum im digitalen Raum endet.

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