Wo der Hase Nudelsieb trägt: Folk-Musiker schrieb „Wildwood“-Trilogie
Wien (APA) - Die „Undurchdringliche Wildnis“: Dort tummeln sich Räuber, ein Heer von Kojoten kämpft gegen Mystiker, ein netter Hase trägt Nu...
Wien (APA) - Die „Undurchdringliche Wildnis“: Dort tummeln sich Räuber, ein Heer von Kojoten kämpft gegen Mystiker, ein netter Hase trägt Nudelsieb am Kopf und zwei Kinder sollen Frieden bringen. Colin Meloy entführt mit seiner „Wildwood“-Roman-Trilogie in eine fantastische Welt. Der Chef der Folkband The Decemberists hat knapp vor Veröffentlichung einer neuen LP den dritten Band abgeliefert.
Der Musiker Meloy hat eigentlich kreatives Schreiben studiert. Mit seinem ersten Jugendbuch erfüllte sich der 1974 in Montana geborene Künstler einen lang gehegten Wunsch. Dass „Wildwood“ 2001 auf Anhieb in die Top Ten der Bestsellerliste der „New York Times“ vordrang, überrascht nicht, wirft doch Meloy viele bewährte Genre-Zutaten in einen Topf, um daraus etwas Eigenes zuzubereiten. Man spürt etwa den Hauch von Tolkien und Twain, aber „Wildwood“ und der Nachfolger „Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald“ haben ihren eigenen Stil und Sprache. Die Macher von „Coraline“ arbeiten bereits an der filmischen Umsetzung.
Mit „Der verzauberte Prinz“ schließt Meloy nun seine „Wildwood Chroniken“ vorerst ab. Die Schülerin Pru und ihr Freund Curtis müssen es mit einem bösen Waldgeist aufnehmen, nachdem man es in den vorangegangenen Teilen mit einer rachsüchtigen Gouverneurswitwe und blutrünstigen gestaltenwandlerischen Füchsen zu tun hatte. Die Abenteuer spielen in einer von Meloy und seiner Ehefrau Carson Ellis, die den Text illustriert hat, geschaffenen Fantasy-Welt am Rande von Portland, wo Menschen, Tiere und Bäume miteinander kommunizieren, aber nicht immer in bester Harmonie auskommen.
Dass ein Mädchen und ein Bub in die undurchdringliche Wildnis eindringen und in einen Strudel an turbulenten Ereignissen geraten, ist ein geschickter Schachzug: Meloys Geschichten sprechen beide Geschlechter an und sind zugleich so komplex gestrickt und wortgewandt erzählt, dass auch Erwachsene, die ihre Fantasie nicht verloren haben, Freude an den rund 600 Seiten starken Epen finden.
„Jetzt kennen wir diese Welt so gut, dass wir gar nichts mehr weiter erschaffen mussten“, erzählte Ellis in einem Werbevideo des Verlages. „Wir wissen, wie sie aussieht, wie sie funktioniert und wer darin lebt.“ Diese Selbstsicherheit merkt man beim Lesen des letzten Bandes: Alles läuft logisch und ordentlich erzählt zusammen, lose Enden fügen sich, lieb gewonnene Charaktere haben finale große Auftritte.
Schon wandelt sich Meloy wieder zum Sänger und Gitarristen: „What A Terrible World, What A Beatiful World“ heißt das am 16. Jänner erscheinende, siebente Album der im Jahr 2000 gegründeten Decemberists. Der Titel würde auch gut die „Undurchdringliche Wildnis“ zusammenfassen, wo majestätische Vogelkönige für Staunen und einäugige verräterische Wölfe in zerlumpten Uniformen für Schrecken sorgen. So versponnen wie die Musik der Decemberists ist „Wildwood“ übrigens auch - und nicht weniger reich an verblüffenden Details.
(S E R V I C E - „Wildwood - Der verzauberte Prinz“, Colin Meloy und Carson Ellis, Heyne Verlag, gebunden mit Schutzumschlag, 608 Seiten, 20,60 Euro)