Geiselnahme in einem Café löst Terror-Alarm in Sydney aus

Sydney (APA/dpa/Reuters/sda) - Terror-Alarm in Australien: Ein möglicherweise islamistischer Geiselnehmer hat in einem Café in Sydney zahlre...

Sydney (APA/dpa/Reuters/sda) - Terror-Alarm in Australien: Ein möglicherweise islamistischer Geiselnehmer hat in einem Café in Sydney zahlreiche Menschen in seine Gewalt gebracht. Die Geiselnahme begann am Montagmorgen und dauerte um Mitternacht (Ortszeit) noch an. Nach Angaben der Polizei war bis dahin keine der Geiseln verletzt worden. Medienberichten zufolge soll der Geiselnehmer ein iranischer Flüchtling namens Harun Monis sein.

Laut australischen Medien soll es sich um einen 49-jährigen „selbst ernannten Scheich“ handeln, der schon vermehrt mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist. Untern anderem befindet er sich derzeit auf Kaution in Freiheit, wie unter anderen der TV-Sender 9News berichtete. Ihm werde in dem Fall vorgeworfen, den Mord an seiner Ex-Frau in Auftrag gegeben zu haben. Er sei zudem bereits für andere Taten verurteilt worden. Ebenfalls vorgeworfen wird ihm, mehrere Frauen sexuell missbraucht zu haben, als er als „spiritueller Heiler“ gearbeitet habe.

Polizeibekannt soll er zudem sein, weil er Hassbriefe an Familien australischer Soldaten, die im Auslandseinsatz getötet wurde, geschrieben haben soll. Nach Australien kam er als iranischer Flüchtling. Mehrere Medien hatten zuvor berichtet, ihnen sei die Identität des Geiselnehmers bekannt. Nachdem das Blatt „Daily Telegraph“ in seiner Morgenausgabe erste Details veröffentlichte, entschieden auch andere Medien, ihre Angaben öffentlich zu machen und auch den Namen des Mannes zu nennen. Die Polizei erlaubte unterdessen die Veröffentlichung der Identität des Täters.

Über viele Stunden gab es zuvor kaum Einzelheiten über die Geiselnahme. Der Mann hatte zwei Frauen tagsüber gezwungen, eine schwarze Flagge mit dem muslimischen Glaubensbekenntnis in die Fensterscheibe des Cafés zu halten. Laut Australiens Regierungschef Tony Abbott gab es Anzeichen für einen politischen Hintergrund. Polizeichef Scipione schloss nicht aus, dass sich die Geiselnahme im Lindt Chocolat Café am Martin Place im Geschäftsviertel der australischen Metropole über mehrere Tage hinziehen könnte.

Fünf Menschen konnten im Laufe des Tages aus dem Café entkommen. Fotos zeigten eine junge Angestellte mit Schürze, die mit Panik im Gesicht auf Polizisten in schwerer Montur zurennt. Ob der Geiselnehmer seine Opfer freiließ oder die fünf Geiseln flüchten konnten, sagte die Polizei nicht.

Der Mann war am Morgen um kurz vor zehn Uhr Ortszeit in das Café an dem historischen Platz in der Fußgängerzone gestürmt. In der Umgebung arbeiten Tausende Menschen. In unmittelbarer Nähe liegen mehrere Bankzentralen, das Büro des Ministerpräsidenten von New South Wales und das US-Konsulat.

Wie viele Menschen sich zum Zeitpunkt der Geiselnahme in dem Café aufhielten, war unklar. Nach Angaben der Vize-Polizeichefin Catherine Burn waren es aber weniger als 30. Fernsehsender filmten den Geiselnehmer am Morgen durch ein Fenster des Cafés. Auf den Bildern war ein Mann mittleren Alters mit grauem Bart und einem Stirnband mit arabischen Schriftzeichen zu sehen, der einen schwarzen Rucksack trug. Auf der Fahne im Fenster standen die Worte der sogenannten Shahada („Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet“), die auch von Islamisten wie der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) benutzt werden.

Die Polizei verhandelte nach eigenen Angaben mit dem Geiselnehmer. Polizeichef Scipione deutete an, dass mehrere Kommunikationskanäle zu dem Mann bestünden. Am Hinterausgang des Cafés waren Dutzende Polizisten mit kugelsicheren Westen und Schusswaffen im Anschlag in Stellung gegangen. Mehrere Medien berichteten, sie hätten Anrufe von Geiseln aus dem Café erhalten. Verifizieren ließen sich diese Angaben nicht.

Das Gebiet um den Martin Place wurde weiträumig abgesperrt, mehrere Gebäude geräumt. Vorsichtshalber wurde auch das berühmte Opernhaus von Sydney geräumt.

In Australien beginnt gerade der Sommer, es ist Hochsaison und zugleich Vorweihnachtszeit. In Sydney dürften Zehntausende Touristen sein. Seit September gilt nach Vorfällen Terror-Alarmstufe drei von vier, was bedeutet: „Terroranschlag wahrscheinlich“. Bei einer Großrazzia hatte die Polizei damals nach eigenen Angaben einen Anschlag auf australischem Boden vereitelt, bei dem ein beliebiger Passant auf der Straße entführt und enthauptet werden sollte.

Australien hat in diesem Jahr eine der schärfsten Anti-Terror-Gesetzgebungen der westlichen Welt verabschiedet. Unter anderem kann der Geheimdienst (ASIO) Verdächtige eine Woche lang im Verborgenen verhören. Er kann Leute ohne richterliche Genehmigung für 14 Tage festnehmen und Hausarrest und Ähnliches anordnen.

Australien beteiligt sich mit Hunderten Elitesoldaten und Flugzeugen an der internationalen Allianz gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak.

Der Großmufti Australiens verurteilte die Geiselnahme am Montag als kriminellen Akt. „Solche Aktionen werden im Islam verurteilt“, teilte Ibrahim Abu Mohamed mit.

Während der Geiselnahme befand sich am Montag mehrere Österreicher rund um das Segel-Doppel-Olympiasiegerteam Roman Hagara und Hans Peter Steinacher in Sydney. Die Mitglieder des Kamerateam erlebten aus wenigen hundert Meter Entfernung dramatische Szenen der Geiselnahme miterlebt, wie der Kameramann Helmut Sommer in der Früh am Telefon gegenüber der APA berichtete.

Die gesamte Innenstadt sei abgeriegelt, die Straßen ausgestorben und die meisten Geschäfte geschlossen, so Sommer. Die Österreicher seien zum Martin Place spaziert, der großräumig von der Polizei angesperrt wurde. „Dort haben wir gesehen, wie drei Geiseln aus dem Kaffeehaus gerannt sind“, so Sommer. Schwer bewaffnete Spezialeinheiten stünde bereit, Hubschrauber kreisten über der Innenstadt. Die österreichischen Segler Hagara und Steinacher, die vergangene Woche am Extreme Sailing Bewerb in Sydney teilgenommen hatten, seien bereits am frühen Morgen wegen eines Termins ans andere Ende der Stadt gefahren und befänden sich dort in Sicherheit, so der Kameramann.

(Grafik 1463-14, Format 88 x 55 mm)