Leichenteile pflastern ihren Weg
Von Idylle keine Spur: In den ORF-Landkrimis wird ein düsteres Bild der Provinz von Wiener Neustadt bis Dornbirn gezeichnet.
Von Silvana Resch
Innsbruck –Ein Weihnachtsmann fliegt durch die Luft, eine tödlich verunfallte Journalistin wird vom Jäger sogleich gierig befingert und aus dem Schotterteich wird ein menschlicher Skalp gefischt: Abgründe tun sich in dieser ach so schönen Heimat auf. Nationalstolz wäre hier fehl am Platz: Erpressung, Mord und Totschlag allerorts, darüber ein Filz aus „Freunderlwirtschaft, Korruption und Lobbying“. So werden die Zustände zumindest von der Dorfwirtin in „Steirer- blut“ zusammengefasst, einem der drei ORF-Landkrimis, die in den kommenden Tagen Premiere feiern. Zum Auftakt wird am Donnerstag, den 18. Dezember in Niederösterreich ermittelt, es folgt die Steiermark (20. Dezember) und schließlich Vorarlberg (27. Dezember, jeweils 20.15 Uhr, ORF eins). Ein Tiroler Landkrimi ist derzeit noch nicht in Arbeit. Der Tiroler Schauspieler Tobias Moretti tritt dafür als Vorarlberger Ermittler an. Moretti, der ab Freitag im Kino als Vampir mit Beißhemmung auf der Couch von Sigmund Freud liegt, gibt sich als Dornbirner Polizist Nathan Weiss dafür umso blutrünstiger. Im Landkrimi „Alles Fleisch ist Gras“ greift er zu sadistisch anmutender Selbstjustiz, um das Ländle „sauber zu halten“. Dass sein alter Schulkollege Anton Galba (Wolfgang Böck) Leiter der hiesigen Abwasserreinigungsanlage ist, kommt ihm sehr zugegen. Im Häcksler der Anlage verschwinden unliebsame Zeitgenossen, nämlich ohne Spuren zu hinterlassen. Regisseur Reinhold Bilgeri hat seinem hochkarätigen Cast einen Vorarlberger Dialekt aufoktroyiert, der den Darstellern mehr oder weniger geschmeidig über die Lippen kommt. Holpriger wirken die nach einem stimmigen Auftakt immer absurder werdenden Wendungen. Erpresser erpresst Erpresser – so die Kurzformel, die im Loop wohl eine gewisse Komik entfalten soll.
Nicht wirklich viel zu lachen hat auch die junge Polizistin Sandra Mohr (Miriam Stein), die in „Steirerblut“ abkommandiert wird, um mit dem neuen Vorgesetzten Sascha Bergmann (Hary Prinz) in ihrer Heimatgemeinde St. Raphael einen Mordfall aufzuklären. Eine Journalistin, die einer brisanten Story auf der Spur war, wurde erschlagen, der Täter hat vergeblich versucht, die Tat durch einen fingierten Autounfall zu verschleiern. Für Mohr werden die Ermittlungen gleichzeitig zu einer Auseinandersetzung mit ihrer schwierigen Vergangenheit. Regisseur Wolfgang Murnberger, der gemeinsam mit Susanne Freund das Drehbuch verfasst hat, liefert mit dem Landkrimi eine gewohnt solide Arbeit.
Am spannendsten gestaltet sich jedoch der Auftakt zu den Landkrimis in der Gegend um Wiener Neustadt. Trotz der ruhigen, unaufgeregten Erzählweise, die der im Frühjahr dieses Jahres verstorbene Regisseur Michael Glawogger für seinen ersten TV-Film gewählt hat. Nina Proll mimt in dem Fall „Die Frau mit dem Schuh“ die Polizistin Franzi, die samt ihrem Motorrad wie ein breitbeiniger US-Sheriff daherkommt. Der Ehe- und Hausmann (Robert Palfrader) versucht vergeblich sie einzukochen. Gelangweilt vom Landleben ist Franzi über den Fund von diversen Leichenteilen mehr als entzückt. Der famosen Proll steht mit Karl Fischer ein herrlich schusseliger, in die Jahre gekommener Kollege zur Seite. Seine Beziehungsunfähigkeit gleicht er mit Herzlichkeit aus.
Mit viel lakonischem Humor erzählt Glawogger, von dem auch das Drehbuch stammt, von diesem mörderischen Puzzle. Schade, dass es sein erster und letzter TV-Fall ist.