Frau und Jüdin im Vatikan: Hermine Speiers Leben im Dienst der Päpste

Rom/Vatikanstadt (APA) - Sie war eine der ersten weiblichen Angestellten im Vatikan überhaupt, sie war Deutsche und Jüdin: Hermine Speier (1...

Rom/Vatikanstadt (APA) - Sie war eine der ersten weiblichen Angestellten im Vatikan überhaupt, sie war Deutsche und Jüdin: Hermine Speier (1898-1989), war eine promovierte Archäologin, die 1934 als Fotoarchivarin in den Vatikanischen Museen den Dienst antrat. Drei Päpste, ein regierender und zwei zukünftige, schützten Speier vor der Nazi-Verfolgung, obwohl sie im Vatikan als Frau und Jüdin ein doppeltes Handicap hatte.

Dem ereignisreichen und geschichtsträchtigen Leben der aus Frankfurt stammenden Speier, die als jüdischer Flüchtling im Vatikan Aufnahme und Arbeit fand, ist das neue Buch der österreichischen Vatikan-Journalistin Gudrun Sailer „Monsignorina - Die deutsche Jüdin Hermine Speier im Vatikan“ gewidmet, das im Aschendorff Verlag erschienen ist und von der Autorin am Montagabend in Rom vorgestellt wurde. Minutiös überprüfte die Niederösterreicherin Briefe Speiers an Familienangehörige und Bekannte, interviewte ihre Mitarbeiter und Freunde und rekonstruierte mit tiefgründiger Recherchearbeit in Archiven die spannenden Ereignissen in Speiers Leben im Vatikan.

Pius XI., Eugenio Pacelli (Pius XII.) und Giovanni Battista Montini (Paul VI.) sind die Päpste, die Speier, eine der wenigen weiblichen Archäologen ihrer Zeit, gegen die Nazi-Verfolgung schützten. Nach dem Studium in Heidelberg, wo sie mit dem Kreis um Stefan George in Berührung kam, ging Speier 1928 nach Rom ans Deutsche Archäologische Institut. 1934 verlor sie dort aufgrund der nationalsozialistischen Gesetze ihre Stelle. Noch im selben Jahr trat sie ihren Dienst als Fotoarchivarin in den Vatikanischen Museen an. Ihr Verbleib im Vatikan war mehrmals bedroht, wie Archivdokumente belegen.

„Hermine Speier hat als Frau und Jüdin im Vatikan eine doppelte Benachteiligung. Beides ist im Papststaat etwas Unerhörtes, noch nie Dagewesenes. Zudem verstößt ihre Anstellung gegen interne Sparvorschriften. Aus heutiger Sicht grenzt es an ein Wunder, dass eine Jüdin 1934 nicht nur in die Dienste des Papstes treten, sondern dort auch verbleiben konnte“, berichtete die Autorin im Gespräch mit der APA.

In diesen entscheidenden Jahren war Hermine Speier mit einem italienischen Nationalhelden verlobt: General Umberto Nobile, Luftschiff-Konstrukteur und Nordpolerforscher. Er war 1928 beim Überflug des Nordpols abgestürzt und bei Mussolini deshalb in Ungnade gefallen. Als seine jüdische Freundin vor dem Besuch Adolf Hitlers in Rom 1938 in „Schutzhaft“ geriet, konnte er sie nach einem Tag befreien. Um ihn zu heiraten, entschloss sich Speier zum Übertritt zum Katholizismus und ließ sich taufen. Durch ihre Konversion hoffte Hermine, dem Verlobten die Eheschließung mit ihr zu erleichtern und ihn als seine Frau ins US-amerikanische Exil zu begleiten. Doch die Heirat kam nicht zustande und Speier blieb in Rom. Hier verschlechterten sich inzwischen die Lebensbedingungen für die Juden wegen der vom faschistischen Regime erlassenen Rassengesetze wesentlich.

Mit vatikanischer Hilfe versteckte sich Speier in einem Nonnenkloster der Priscilla-Katakomben und lebte dort mit den Ordensschwestern. Der großen römischen Juden-Razzia am 16. Oktober 1943 konnte sie entgehen. Auch aus Dankbarkeit für den gewährten Schutz blieb Hermine Speier den Päpsten als Arbeitgeber bis zu ihrer Pensionierung 1967 treu. Daneben gab sie in zwanzigjähriger Arbeit ein bis heute unverzichtbares Standardwerk der Archäologie heraus. Ihre Wohnung wurde zum Treffpunkt der deutsch-römischen intellektuellen Elite. Im Alter von 91 Jahren starb die Archäologin in der Schweiz. Sie ist auf dem Campo Santo Teutonico, dem deutschen Friedhof, im Vatikan begraben.

Über drei Jahre lang hat sich die Autorin Sailer, die bereits ein Buch über Frauen im Vatikan geschrieben hat, der facettenreichen Persönlichkeit Speiers gewidmet. „Es war die spannendste Recherchearbeit, die ich jemals unternommen habe. Ich bin mir inzwischen wie Speier selbst als Archäologin vorgekommen, weil ich versucht habe, Stück für Stück alle Ecksteinchen ihres Leben zusammenzufügen“, berichtet Sailer. Die Möglichkeit, Speiers Briefe zu lesen, habe ihr einen einmaligen Einblick in die Lebenszustände der jüdischen Bevölkerung während der Nazi-Verfolgung gegeben.