Das Gruseln der Streif zum Miterleben auf der Leinwand
Gerald Salminas Film über das größte Skispektakel der Welt bietet überraschende Einblicke und ein versöhnliches Ende. Dennoch lässt er Zeit auf der Strecke liegen.
Von Wolfgang Sablatnig
Wien, Kitzbühel –Dem Gruseln hat sich auch Regisseur Gerald Salmina bei seinem Film über die Kitzbüheler Streif nicht entziehen können. Immer wieder zeigt er in Großaufnahme, wie die Abfahrt einen Fahrer abwirft. Bumm – ins Netz. Bumm. Bumm. Erleichterung macht sich im Kinosaal breit, wenn der Läufer sich selbst wieder aufrichten kann. Oder Entsetzen, wenn ein lebloses Paket Mensch mit dem Hubschrauber weggeflogen wird. Hannes Reichelt, der auf der Streif heuer gewonnen hat und im Jänner bei der 75. Auflage des Rennklassikers wieder an den Start gehen will, hat die Premiere des Streifens am Montagabend in Wien gemeinsam mit der Schweizer Abfahrtslegende Didier Cuche verfolgt: „Der Didier hat bei den Stürzen hinschauen können. Ich nicht. Ich fahr’ ja noch.“
Auf der großen Leinwand wird die Brutalität der Kitzbüheler Hausstrecke richtig sichtbar. Immer wieder heben die Skier ab, um sich gleich wieder ins Eis zu fressen. Jeder Schlag beutelt die Beine der Läufer durch. Sichtbar werden aber auch die Torturen, welche die Läufer auf sich nehmen, um auf der Streif überhaupt bestehen zu können.
Salmina und sein Team, allen voran der Kitzbüheler Extremskifahrer Axel Naglich, haben eine Handvoll Sportler ein Jahr lang begleitet. Aksel Lund Svindal, Erik Guay, Max Franz, Juri Danilotschkin und Hannes Reichelt lassen die Zuschauer an ihrer Vorbereitung und ihren Gedanken teilhaben. Cuche und Daron Rahlves sprechen die verbindenden Erläuterungen.
Er wolle sich im Winter nicht vorwerfen müssen, beim Training zu nachlässig gewesen zu sein, sagt Max Franz, während er sich schindet. Wieder und wieder zieht er Gewichte einen Hang hinauf. Sein Trainer zieht derweil an einem an Franz’ Helm befestigten Seil, um auch noch die Nackenmuskulatur zu stärken.
Ohne Team geht im Kampf um die Hundertstel nichts, lernen die Zuschauer. Für den Weißrussen Danilotschkin besteht dieses Team aus seiner Mutter Natalia. Sie chauffiert ihn von Rennen zu Rennen, sie präpariert die Skier, das Benzingeld müssen sie oft schnorren. Bei der Streckenbesichtigung hofft er, bei den Trainern der anderen Tipps aufschnappen zu können.
Es sind diese Gegensätze, die Salminas Film spannend machen. Und die verzweifelten Versuche, die Natur zu überlisten, wenn Hubschrauber Schnee auf den Hausberg fliegen. Die Natur gibt nicht nach, die Schlüsselstelle muss gestrichen werden. Zumindest schaffen es die Organisatoren und Helfer aber, den später in Übermengen fallenden Schnee rechtzeitig aus der Piste zu räumen.
Der Kanadier Eric Guay muss sich unterdessen damit abfinden, dass sein Knie einen Start nicht zulässt. Ein trauriger Held. Die anderen gehen an den Start. Sie wollen angreifen und attackieren. Wer das nicht tut, den wirft die Streif ab.
Das Ende ist versöhnlich. Hans Grugger, der 2011 leblos mit dem Hubschrauber in die Klinik geflogen wurde und Monate brauchte, um sich ins Leben zurückzukämpfen, kann mit Freundin Ingrid Rumpfhuber bei Sonnenschein das Startgelände besuchen und die Streif noch einmal hinunterrutschen.
Salminas Film liefert packende Bilder und spannende Einblicke. Darüber war sich das Premierenpublikum einig, auch wenn der Streifen mit Längen kämpft. Zeit liegen lassen, das geht auch beim Höllenritt in Kitzbühel nicht. „Streif – One Hell of a Ride.“ Ab 25. Dezember im Kino.