Estland verweist linken italienischen Journalisten Chiesa des Landes

Tallinn/Rom (APA/ANSA) - Estland hat den ehemaligen italienischen Linkspolitiker und Journalisten Giulietto Chiesa des Landes verwiesen und ...

Tallinn/Rom (APA/ANSA) - Estland hat den ehemaligen italienischen Linkspolitiker und Journalisten Giulietto Chiesa des Landes verwiesen und damit ein Geplänkel auf diplomatischer Ebene mit Italien ausgelöst. Chiesa war Montag früh in den baltischen Staat eingereist, um bei einer Veranstaltung zum Thema „Muss sich Europa vor Russland fürchten“ einen Vortrag zu halten.

Am Nachmittag wurde er zunächst ohne offizielle Angabe von Gründen festgehalten und verhört. Wie am Dienstag bekannt wurde, stand Chiesa bereits seit einiger Zeit auf der Liste der in Estland unerwünschten Personen. Am Dienstag wurde Chiesa offiziell aufgefordert, das baltische Land binnen 48 Stunden zu verlassen.

Als Reaktion auf die Festnahme Chiesas wurde noch am Montagabend die estnische Botschafterin ins Außenministerium in Rom zitiert, wo von ihr laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA eine „dringende Erklärung“ der Vorgangsweise der estnischen Behörden eingefordert wurde. Italien zeigte sich auch „überrascht und besorgt“ über die Art und Weise wie der kritische italienische Journalist im Hotel gestellt und festgenommen wurde.

Am Montag wurde vermutet, dass die Festnahme Chiesas mit einer von Estland als Teil einer Verleumdungskampagne gegen das Land bezeichneten Sendung im russischen Fernsehkanal NTV in Verbindung steht. Die mutmaßliche Enttarnung mehrerer Geheimdienstmitarbeiter in Estland durch einen Ex-Techniker der estnischen Geheimpolizei KaPo hatte am Montag für heftige Reaktionen und Nervosität in Tallinn gesorgt. Außer Chiesa wurde am Montag ein der Spionage verdächtigter estnischer Afghanistanveteranen-Aktivist festgenommen.

Chiesa ist der estnischen Regierung seit längerem ein Dorn im Auge. Regierungstreue Medien werfen dem Italiener vor, im Interesse des Kreml und russenfreundlich zu agieren. Der 74-jährige ehemalige Kommunist und langjährige Moskau-Korrespondent linker und liberaler italienischer Zeitungen (L‘Unita, La Stampa) saß 2004-2009 als Abgeordneter der Lista Di Pietro im EU-Parlament. Eine neuerliche Kandidatur in Brüssel auf einem Ticket der Russland-orientierten lettischen Partei „Für Menschenrechte in einem geeinten Lettland“ scheiterte.

Es ist nicht das erste Mal, dass Estland Dissidenten aus anderen EU-Staaten des Landes verweist oder ihnen die Einreise verweigert. 2009 widerfuhr das dem finnischen Buchautor Johan Bäckman, der gleich zwei Mal nicht zu ähnlichen regierungskritischen Veranstaltungen ins Land gelassen wurde. Bäckman, der unter anderem umstrittene Thesen über die Vorgänge rund um die Entfernung eines Sowjetdenkmals in Tallinn, das 2007 zu schweren Unruhen führte, vertritt, klagte und erreichte im Nachhinein die gerichtliche Aufhebung des Einreiseverbots aus politischen Gründen und erhielt von der Republik Estland die Prozesskosten rückerstattet.