Kunst, Geschichte und Literatur: Sachbücher als Geschenktipps
Wien (APA) - Weihnachten ist für Buchhändler die stressigste Zeit des Jahres, denn Bücher zählen nach wie vor zu den beliebtesten Geschenken...
Wien (APA) - Weihnachten ist für Buchhändler die stressigste Zeit des Jahres, denn Bücher zählen nach wie vor zu den beliebtesten Geschenken. Im Folgenden einige Geschenktipps abseits der Belletristik - außergewöhnliche Neuerscheinungen aus dem Kunst- und Sachbuchbereich.
FÜR KUNSTLIEBHABER: Die große Schau zu Diego Velazquez läuft noch bis 15. Februar 2015 im Kunsthistorischen Museum. Wesentlich mehr als die dort gezeigten rund 35 Gemälde aus Meisterhand, nämlich sämtliche ihm heute zugeschriebenen Werke, versammelt das vom Taschen Verlag in aktualisierter Form neu herausgegebene Standardwerk von Jose Lopez-Rey (1905-1991). Das repräsentative Werkverzeichnis im XL-Format besticht nicht nur durch Ausführlichkeit und Vollständigkeit, sondern auch durch imposante Vergrößerungen zahlreicher Bildausschnitte, die neben der Pinselführung und Ausdruckskraft des spanischen Meistermalers auch den höchst unterschiedlichen Erhaltungs- bzw. Restaurierungszustand einzelner Gemälde anschaulich vor Augen führen. Zum Werkkatalog gibt es eine Darstellung der wichtigsten Lebenskapitel in der Biografie des Hofmalers, der zweifellos der am gründlichsten erforschte spanische Maler sei, wie Herausgeberin Odile Delenda schreibt. Dennoch gebe es erstaunlich wenige Zeugnisse, die ihn als Mensch beschrieben: „Über sein Wesen und sein Temperament wissen wir letztlich nur sehr wenig.“ („Velazquez. Das vollständige Werk“ von Jose Lopez-Rey, Hg. von Odile Delenda und Wildenstein Institute, Taschen Verlag, 416 S., 99,99 Euro, ISBN 978-3-8365-5013-0)
FÜR SATIREFREUNDE: Wesen und Temperament von Manfred Deix ist dagegen der Allgemeinheit kein Geheimnis, um seinen Gesundheitszustand musste man sich jedoch zuletzt immer wieder sorgen. Der Präsentationstermin seines Bandes „Neue Zeichnungen“ wurde daher abgesagt. Das Buch schmückt auch so den Gabentisch all‘ jener, die der Wahrheit ungeschminkt ins Auge schauen können. „Wenn Michelangelo sagt, die größte Kunst sei ‚nichts als ein Schatten der göttlichen Perfektion‘, dann tritt Deix mit seiner Kunst den unerbittlichen Gegenbeweis an“, schreibt Gottfried Helnwein. „Er zeigt uns, dass das Werk des Schöpfers nur so strotzt von Peinlichkeiten und Schnitzern. Gott sei Dank, muss man sagen, denn bei einem perfekten Gott hätten wir wenig zu lachen, und es war Deix, der uns zu der bedeutenden philosophischen Erkenntnis verholfen hat, dass die Schöpfung lächerlich und Gott der größte Humorist ist.“ Die neuen Zeichnungen vertiefen den bekannten Deix‘schen Figurenkosmos, sind aber womöglich noch roher und ungeschönter. „Dieses Buch ist entstanden um Ihnen zu zeigen, was mir noch alles so eingefallen ist im Lauf der Zeit. Ein sehr ehrliches Buch, weil ich gezeichnet habe, was alles an Unfug in meinem Kopf schlummert und nie fürs Publikum gedacht war“, meint Deix. („Neue Zeichnungen“ von Manfred Deix, Ueberreuter, 224 S., 29,95 Euro, ISBN 978-3-8000-7604-8)
FÜR GESCHICHTSBEWUSSTE: Mit „Der taumelnde Kontinent“ hat der in Wien lebende Historiker Philipp Blom einen Bestseller geschrieben, der vielschichtig und unkonventionell die rasenden Veränderungen im Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschrieb, die sich schließlich explosionsartig in einem Weltkrieg entluden. Mit „Die zerrissenen Jahre“ hat er nun die Fortsetzung vorgelegt und die nicht weniger dramatische und dynamische Zwischenkriegszeit beschrieben, zwischen kultureller und gesellschaftlicher Offenheit, politischem Extremismus und militärischer Aufrüstung. Eine vielstimmige Analyse von Politik und Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft, Links und Rechts, Hoffen und Bangen. Wer eine mögliche Kaufentscheidung zuvor überprüfen möchte: Morgen, Mittwoch (18.30 Uhr), stellt Philipp Blom gemeinsam mit dem Schauspieler Cornelius Obonya sein Buch im Leopold Museum vor. Am 19.12. (20 Uhr) begrüßt Blom im Kasino als Gastgeber der neuen Burgtheater-Reihe „Carte Blanche“ den Romancier und Essayisten Navid Kermani für ein Gespräch „Zwischen Koran und Kafka - ein Rückblick auf unsere Zeit“. („Die zerrissenen Jahre. 1918-1938“ von Philipp Blom, Hanser, 576 S., 28,70 Euro, ISBN 978-3-446-24617-1)
FÜR FACKELTRÄGER: Jonathan Franzen erklärt Karl Kraus. „Das Kraus-Projekt“ ist ein ungewöhnliches Unterfangen: Beim Wiederlesen zweier Aufsätze des legendären „Fackel“-Herausgebers („Heine und die Folgen“ von 1920 und der zwei Jahre später entstandene Essay „Nestroy und die Nachwelt“) versucht sich der bekannte US-Romancier („Die Korrekturen“) mit Unterstützung von Kraus-Experten Paul Reitter und Autor Daniel Kehlmann einen Reim auf die Kraus‘sche Sichtweise der Welt zu machen. Im Hin- und Herspringen zwischen Originaltext, Franzen-Kommentar und einem umfangreichen Fußnoten-Apparat kein einfaches, aber ein lohnendes Unterfangen, das jedenfalls für die Fans des Wiener Sprach- und Kulturkritikers ein Muss ist. („Das Kraus-Projekt“ von Jonathan Franzen, Rowohlt, 304 S., 20,60 Euro, ISBN 978-3-498-02136-8)
FÜR SCHNITZLERJÄGER: Über den Wiener Arzt und Dichter Arthur Schnitzler (1862-1931) sind etliche Biografien verfasst worden, doch die Germanistin und Theaterwissenschafterin Jutta Jacobi hat nun „Die Schnitzlers. Eine Familiengeschichte“ vorgelegt, in der die Herkunft der Familie, die Verwandtschaft, aber auch die Geschichte der Nachgeborenen bis in die Gegenwart hinauf recherchiert und beschrieben werden. Der Blick weitet sich zu einem Epochenbild, das nicht nur über mehr als eineinhalb Jahrhunderte, sondern auch über die Kontinente reicht. Keine trockene Faktensammlung, sondern eine anekdotenreiche Nacherzählung eines interessanten Kapitels Literatur- und Kulturgeschichte. („Die Schnitzlers. Eine Familiengeschichte“ von Jutta Jacobi, Residenz, 304 S., 24,90 Euro, ISBN 978-3-7017-3279-1)