Kein Land für junge Frauen
Der Oscar-Preisträger Tommy Lee Jones demontiert in seinem Western „The Homesman“ die Mythen über die ersten Siedler des amerikanischen Westens.
Von Peter Angerer
Innsbruck –Als Schauspieler steht Tommy Lee Jones wegen seiner Mitwirkung in Blockbustern („Men In Black“) und Meisterwerken („No Country For Old Men“) in der ersten Reihe der Hollywood-Stars. Als Regisseur hinterfragt Jones den amerikanischen Traum. 2005 inszenierte er mit „Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada“ einen allegorischen Western über den Umgang mit mexikanischen Einwanderern. In seinem neuen Film „The Homesman“ demontiert er die Mythen über die ersten Siedler des Westens.
The Homesman. Ab 12 Jahren. In Innsbruck: Leokino.
Mary Bee Cuddy (Hilary Swank) hat zwei Pferde vor ihren Pflug gespannt, doch für die Feldarbeit ist sie unpassend angezogen. Das Kleid trägt sie für ihren Nachbarn, den sie zum Essen eingeladen hat. Zum Pfirsichkuchen macht sie dem Farmer ein überraschendes Angebot. Sie hat Tiere im Stall, etwas Geld auf der Bank und mit den zupackenden Händen des Nachbarn seien doch die idealen Voraussetzungen für eine Ehe gegeben. So viel Selbstbewusstsein verstört den Farmer, der die Flucht ergreift und „lieber im Osten“ eine Frau suchen möchte. Mitte des 19. Jahrhunderts ist eine derartige Reise natürlich ein Wagnis mit ungewissem Ausgang, weshalb George Briggs (Tommy Lee Jones) dessen Abwesenheit nutzt, um das verlassene Haus, eigentlich ein Steinhaufen, zu besetzen. Diese Vorgehensweise können natürlich die anderen Nachbarn nicht hinnehmen. Sie hängen den frechen, in Unterwäsche auf seinem Pferd sitzenden Gesetzlosen auf, verlassen aber frühzeitig den Tatort, um sich den Anblick eines baumelnden Mannes zu ersparen. Das Tier behält die Nerven und es ist Mary Bee, die den erbärmlich japsenden Mann findet. Für die Lebensrettung soll Briggs sie und drei psychisch kranke Frauen als „Homesman“, als Mann, auf den Verlass ist, von Nebraska nach Iowa führen, schließlich ist mit einem Gefängniswagen und drei gefesselten Frauen Indianergebiet zu durchqueren. Arabella (Grace Gummer), selbst fast noch ein Kind, ist wegen des Verlusts ihrer kleinen Kinder verrückt geworden. Theoline (Miranda Otto) hat ihr Baby in das Plumpsklo geschleudert, Gro Svendsen (Sonja Richter) wollte ihre tote Mutter als Schutzschild gegen die Gewalt ihres Mannes im Haus behalten. Keine der Frauen spricht während der Reise durch die Winterstürme Nebraskas ein Wort.
Regisseur Tommy Lee Jones erzählt ihre Geschichten in lose verknüpften Rückblenden, während der von ihm gespielte Outlaw vom Elend unberührt erscheint und Mary Bee mit Geschichten über Massaker an Indianern zu beeindrucken versucht. Es ist nicht nur das raue Klima und das verdorrte Land, das der Reisegruppe zusetzt, es ist die beginnende Zivilisation, die sich als menschenfeindlich erweist. Als Briggs nach Tagen des Hungerns und Frierens in einem neu eröffneten Hotel um ein warmes Zimmer und Lebensmittel für die Frauen bittet, weist ihn der Eigentümer (James Spader) ab, während auf dem Buffet ein Spanferkel mit einer Orange im Maul grinst. Als nicht einmal ein für Briggs ungewöhnliches Wort wie Barmherzigkeit den Hotelier erweicht, bleibt nur noch Gewalt. Der Feigling, der die Geschichten über große Zeiten und Massaker wahrscheinlich erfunden hat, verwandelt sich in einen Rächer und das Hotel in die Hölle.
Mit „The Homesman“ erklärt sich auch Tommy Lee Jones’ bizarre Nebenrolle als FBI-Agent Robert Stansfield in Luc Bessons Mafiakomödie „Malavita – The Family“ (2012). Da kein einziger Hollywood-Produzent Geld für Jones’ grausame Geschichte mit Bildern, die im Gedächtnis bleiben, riskieren wollte, organisierte Frankreichs Filmmogul Produktion und Finanzierung.