Deutschland

Deutsche Erbschaftsteuer verstößt gegen Verfassung

Die Karlsruher Richter wiesen am Dienstag zwei Verfassungsbeschwerden gegen die europäische Bankenunion ab.
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Privilegien für Firmenerben bei der Erbschaftssteuer sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das entschied das Bundesverfassungsgericht. Das Gesetz muss nun repariert werden.

Karlsruhe/Berlin – Die massiven Steuerprivilegien für Firmenerben verstoßen in ihrer derzeitigen Ausgestaltung gegen das deutsche Grundgesetz. Das deutsche Bundesverfassungsgericht kippte am Mittwoch die seit 2009 geltende Regelungen zur großzügigen Verschonung von vererbtem Betriebsvermögen. Sie sind mit dem Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes unvereinbar.

Grundsätzlich sei es aber legitim, gerade Familienunternehmen teilweise oder sogar vollständig von der Erbschaftsteuer zu befreien, betonten die Karlsruher Richter. Dem Gesetzgeber setzten sie eine Frist bis zum 30. Juni 2016 für eine Neuregelung. Bis dahin seien die bisherigen Vorschriften weiter anwendbar.

Durch Privilegien entfällt Steuer teilweise vollständig

Das Verfassungsgericht entschied über eine Vorlage des Bundesfinanzhofs (BFH). Das oberste deutsche Steuergericht hatte die steuerliche Begünstigung von Firmenerben gegenüber Erben von Privatvermögen als Überprivilegierung infrage gestellt. Nach der Verschonungsregel werden Erbschaften und Schenkungen dann entlastet, wenn im Zuge des Betriebsübergangs die Arbeitsplätze weitgehend gesichert werden: Wer den Betrieb fünf Jahre lang fortführt und die Lohnsumme in dem Zeitraum weitgehend stabil hält, bekommt schrittweise 85 Prozent der Steuerschuld erlassen. Wer das sieben Jahre lang schafft, muss am Ende gar keine Steuer bezahlen. Von der Lohnsummenklausel befreit sind Unternehmen mit bis zu 20 Beschäftigten und damit fast 90 Prozent aller Firmen.

Das Urteil wurde vor allem bei den rund drei Millionen Familienunternehmen in Deutschland mit Spannung erwartet, denn es geht um die Übertragung von Milliardenwerten.

Der Erste Senat knüpfte die steuerliche Begünstigung von Firmenerben nun an strengere Maßstäbe. Denn das bisherige Ausmaß und die Ausgestaltung der Steuerbefreiung seien mit dem Grundrecht der steuerlichen Belastungsgleichheit nicht zu vereinbaren, sagte Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof. So seien im Jahr 2012 Befreiungsmöglichkeiten in Höhe von fast 40 Milliarden Euro in Anspruch genommen worden, während der Fiskus nur 4,3 Milliarden Euro Erbschaftsteuer eingenommen habe.

Vorteile für Firmenerben nicht grundsätzlich verfassungswidrig

Das Verfassungsgericht hält es allerdings „allgemein für gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber die persönlich geführten Familienunternehmen im Erbfall steuerlich verschont, um ihre Weiterführung nicht fiskalisch zu gefährden“. Der Schutz von Familienunternehmen und Arbeitsplätzen sei „grundsätzlich ein legitimer Grund, Betriebe teilweise oder vollständig von der Steuer zu befreien“. Der Gesetzgeber habe hier einen weiten Gestaltungsspielraum. Es sei aber verfassungswidrig, „eine umfassende Verschonung ohne jegliche Bedingungen zu gewähren.“

So verletze es das Gleichbehandlungsgebot, auch Großunternehmen von der Steuer zu befreien, ohne dass konkret geprüft werde, ob sie überhaupt einer steuerlichen Entlastung bedürfen. Der Gesetzgeber müsse nun präzise und handhabbare Kriterien zur Bestimmung der Unternehmen festlegen, für die eine Verschonung ohne „Bedürfnisprüfung“ nicht mehr infrage komme. (APA/Reuters)