Neuer Wiener Hofnarr allzu heftig verflucht
Verdis „Rigoletto“ brachte der Staatsoper wenig Glück: Hauptdarsteller Simon Keenlyside musste mittendrin aufgeben.
Von Stefan Musil
Wien –Ob das den König tatsächlich amüsiert hätte? Verdis „Rigoletto“, dem Drama um den Hofnarren des Herzogs von Mantua, galt die letzte Premiere des Jahres an der Wiener Staatsoper. Die Geschichte, die auf Victor Hugos Schauspiel „Le Roi s’amuse“ basiert, ist dank Verdis Vertonung noch bekannt: Der Herzog, ein skrupelloser Verführer, macht sich an Rigolettos versteckt gehaltene Tochter Gilda heran. Der Hofnarr heuert einen Mörder an, um den Herzog aus dem Weg zu schaffen. Doch Gilda wirft sich an seiner Stelle in den Dolch. Seine tote Tochter in den Armen, erinnert sich Rigoletto an den Fluch Monterones. Dessen Frau war ebenfalls Opfer des Herzogs geworden, woraufhin er diesen und seinen zynischen Gehilfen Rigoletto verwünscht hatte.
Ein Fluch, der wohl auch auf die Premiere fiel. Am ärgsten davon betroffen war Simon Keenlyside in der Titelrolle. Krankheitsbedingt musste er noch bei der Generalprobe vom Ensemblemitglied Paolo Rumetz ersetzt werden, wagte sich schließlich doch zur Premiere auf die Bühne. Tapfer hielt er bis zu seiner großen Szene „Cortigiani“, als er sich auf der Suche nach seiner entführten und verführten Tochter wütend an die Höflinge wendet, durch. Gab hier noch einmal alles, in seiner bis dahin aus dem Abend an Intensität und Plastizität einsam herausstrahlenden Darstellung. Danach jedoch war Schluss. Im Duett mit Gilda versagte ihm die Stimme endgültig. Er trat ab. Aber der Dirigent ließ einfach weiterspielen, Gilda sang einsam ein wenig vor sich hin, Keenlyside kam wieder, versuchte ein paar Töne, ging nochmals ab, kehrte zu den Schlusstakten erneut zurück. Es half nichts, die Stimme war weg, der zweite Akt endlich zu Ende, der Vorhang unten, während im irritierten Applaus des Publikums ein paar völlig unverständliche und unnötige Buhs zu hören waren.
Viele Fragen offen: Warum hatte man Keenlyside nicht angesagt, warum fiel nicht der Vorhang nach seinem ersten Abgang, warum klopfte Dirigent Myung-Whun Chung nicht ab? Letzterer war übrigens der Ersatzmann für Ex-Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst. Ein Ersatz, der nicht restlos glücklich machte. Myung-Whun Chung bemühte sich am Pult des tüchtig folgenden Orchesters um Differenzierung, blieb aber Schwung und Spannung oft schuldig und nicht selten kam es zu Reibungen zwischen Graben und Bühne. Weitgehend überzeugend, wenn auch mitunter ein wenig gefährdet klingend, lieferte Piotr Beczala den Herzog ab, der wohl nicht (mehr?) zu seinen allerbesten Partien gehört. Mit apart timbriertem und gut geführtem Sopran stellte sich Erin Morley erstmals dem Wiener Publikum als etwas grenzwertig leichtgewichtige Gilda vor.
Einmal mehr belanglos fiel die szenische Seite aus: Regisseur Pierre Audi sorgte im besten Fall für routiniert traditionelle Repertoiretauglichkeit. Dies in einer sich drehenden, geschmäcklerischen Zivilisationsmüllhalde wohl nach dem großen Fallout (Ausstattung: Christof Hetzer), in der sich die Protagonisten doch wieder in historischen Kostümen bewegen, was einen ambivalenten, pseudo-modernistischen Eindruck ergab. Ach ja, ein Problem konnte schließlich doch gelöst werden: Generalprobencover Paolo Rumetz sang als Rigoletto bewundernswert anständig den dritten Akt und rettete somit eine Premiere, die vermutlich weniger aufgrund ihrer Qualität in die Annalen eingehen wird.