Wortzeichen für eine große Liebe
Friederike Mayröckers 90. Geburtstag im Akademietheater: „Requiem für Ernst Jandl“ in jazzigem Gewand.
Von Bernadette Lietzow
Wien –„… der Verlust (...) eines HAND- und HERZGEFÄHRTEN ist etwas ganz und gar Erschütterndes, aber vielleicht ist es so, dass man weiter mit diesem HERZ- und LIEBESGEFÄHRTEN sprechen kann …“ Mit ihrem „Requiem für Ernst Jandl“ nahm Friederike Mayröcker in den Tagen und Wochen nach dem Tod des Lebensbegleiters im Juni 2000 das lyrische Gespräch mit dem geliebten Menschen auf, der „diesmal zu weit gegangen“ ist. Am 20. Dezember feierte sie ihren 90. Geburtstag, abends gratulierte die Burg mit der Uraufführung des „Requiem für Ernst Jandl“ als „Szenisches Melodram“ im Akademietheater.
Der Theaterkomponist Lesch Schmidt erarbeitete zu Mayröckers Totenklage eine musikalische Entsprechung, für die Bühne eingerichtet von Hermann Beil. Auf einer großen Leinwand erscheinen, einmal nah, einmal fern, vier Bilder des Paares Mayröcker/Jandl. Bilder, die die Jahrzehnte einer Künstler-Beziehung dokumentieren, die Mayröcker als „neidlos“, was die beidseitigen literarischen Erfolge betrifft, und als „reine Harmonie“ beschreibt. Zu den Fotos gesellt sich Mayröckers Stimme vom Band, mit dieser konzentriert-gleichförmigen, weich-wienerisch gefärbten Sprechweise. Jazzige Melodiekaskaden, kammermusikalisch dargeboten von einem Ensemble bestehend aus Geige (Nikolai Tunkowitsch), Kontrabass/Tuba (Alexander Rindberger), Querflöte/Saxophon (Dirko Juchem), Schlagzeug (Manni von Bohr) und Klavier (Lesch Schmidt), bestimmen den Sound des Abends.
Die Berliner Schauspielerin und Sängerin Dagmar Manzel nimmt den musikalischen Faden immer wieder summend auf, gibt Mayröckers Texten eine zweite, kontrastreiche Färbung, indem sie diese quasi der Dichterin nachspricht oder sie in Leschs Songs vorträgt. Wenn man an Ernst Jandls musikalische Vorlieben von Miles Davis bis Nine Inch Nails denkt, wirken die Kompositionen über Mayröckers in ihrer ganzen scheinbaren Sprödigkeit so elementar berührende Dichtungen unentschlossen und irritierend beiläufig. Beifallsstürme gab es für die anwesende Wortkünstlerin Mayröcker.