Kulturhauptstädte 2015 - Pilsen jenseits der Bierseligkeit

Plzen (Pilsen) (APA) - Den richtigen Weg vom Bahnhof ins Zentrum muss man in Pilsen derzeit noch suchen: Nimmt man die falsche Route, stapft...

Plzen (Pilsen) (APA) - Den richtigen Weg vom Bahnhof ins Zentrum muss man in Pilsen derzeit noch suchen: Nimmt man die falsche Route, stapft man durch den Schutt noch nicht existenter Gehsteige und balanciert über halb fertige Straßenbahntrassen. Rund um die Altstadt wird einen Monat vor der Eröffnung der Kulturhauptstadt 2015 noch kräftig behübscht, während an anderen Stellen der Stadt schon längst alles bereit steht.

Wer bei Pilsen nur ans Bier denkt, wird bereits jetzt eines Besseren belehrt. Die kleine Stadt mit dem aus dem 13. Jahrhundert stammenden und hervorragend erhaltenen Stadtkern bietet weit mehr als die (dennoch durchaus sehr lohnende) Besichtigung der Brauerei. Schon weit vor der Eröffnung der Kulturhauptstadt freuen sich Bewohner wie Besucher der Stadt über das neue Theater, das durch seine schlichte, aber dennoch imposante Struktur und Außenfassade einen Kontrapunkt zum historischen Stadtkern bildet. Seit Frühjahr 2014 existiert auch bereits das umfassend ausgebaute Technische Museum „Techmania“, das in seinen thematischen Stationen nicht nur in die Tiefe geht, sondern durch Interaktivität auch junge und jüngste Besucher für Wind- und Wasserkraft, Film- und Fernsehtechnik oder optische Täuschungen begeistert.

Der historische Stadtkern, der bis auf vereinzelte Sowjetbauten in Bombenlöchern aus dem Zweiten Weltkrieg nicht nur gut erhalten ist, sondern auch mit zahlreichen Fassadendetails dem Auge schmeichelt, bietet neben der St. Bartholomäus-Kathedrale (mit dem höchsten Turm Tschechiens) auch ein ganz besonderes Kleinod: Das Puppenmuseum, das sich - direkt gegenüber der Kirche gelegen - über drei Stockwerke der Geschichte der städtischen Puppenspieler widmet. Noch hinter verschlossenen Türen befinden sich jene Interieurs, die Adolf Loos in der Stadt für jüdische Familien gestaltet hat. Eine dieser Wohnungen befindet sich gar in einem von der Stadtverwaltung benützten Gründerzeithaus und ist nur zu betreten, nachdem man durch die Gänge des nunmehrigen Bürogebäudes geirrt ist. Insgesamt sollen 2015 drei der acht Loos-Wohnungen zu besichtigen sein.

Die Stadt, die durch den Zusammenfluss der Ströme Mies, Radbusa, Uhlava und Uslava auch viel Natur im Zentrum bietet, will sich auch neue kulturelle Räume erschaffen. Wandert man eine halbe Stunde der Radbusa Richtung Süden entlang, stößt man bald auf halbruinöse Fabriken und verlassene Remisen, die in den kommenden Monaten zu Ausstellungs- und Konzertlocations ausgebaut werden sollen. An das mittlerweile aufgelassene Stadtbad am Fluss erinnern Tafeln mit historischen Fotos des Naherholungsgebiets sowie einige Graffiti an den Mauern, die den historische Bilder nachempfunden wurden. Auch der alte Südbahnhof, den man auf dem Fußweg zu den Skoda-Werken und dem angeschlossenen Technischen Museum passiert, soll in Zukunft der Kunstszene zur Verfügung gestellt werden.

Die Verzahnung von Geschichte und Zukunft manifestiert sich auch an einem der Eingänge in die einst von einer Stadtmauer und einem Wassergraben umgegebene Altstadt: Im alten Wasserturm wurden die Büros der Kulturhauptstadt eingerichtet. Wo man mit Blick auf die alten Mauern eifrig an der Zukunft bastelt.