Viagra-Fälschungen - Prozess gegen international agierende Bande 1

Wien (APA) - Im Glauben, Potenzmittel von renommierten Pharmafirmen über das Internet zu erwerben, haben Kunden gefälschte Medikamente erhal...

Wien (APA) - Im Glauben, Potenzmittel von renommierten Pharmafirmen über das Internet zu erwerben, haben Kunden gefälschte Medikamente erhalten, die Kopfschmerzen, Durchfall und Herzrasen verursachten. Am Donnerstag mussten sich deshalb sechs Mitglieder einer international tätigen Arzneimittel-Fälscher-Bande vor einem Wiener Schöffengericht verantworten. Sie bekannten sich nur teilweise schuldig.

Die Beschuldigten - fünf Israelis und ein Österreicher - sollen laut Anklage mit gefälschten Potenzmitteln mindestens 120.000 Personen betrogen und einen Schaden von 9,8 Millionen Euro verursacht haben. Den Angeklagten wird schwerer gewerbsmäßiger Betrug, Geldwäscherei und Vergehen nach dem Arzneimittelgesetz vorgeworfen. Fünf der sechs Beschuldigten bekannten sich vor dem Schöffengericht (Vorsitz: Helene Gnida) nur zum letzten Vorwurf schuldig. Mit dem Betrug und der Geldwäscherei wollen sie nichts zu tun haben. Sie hätten lediglich „Serviceleistungen“ vollzogen, nichts ahnend, dass es sich bei den Tabletten um „minderwertige Nachahmungen, die weniger oder einen anderen Wirkstoff wie angegeben bzw. wie das Originalprodukt enthielten“ handelt, wie Staatsanwalt Simon Stürzer zum Beginn der Verhandlung ausführte. Der sechste Angeklagte wies jegliche Schuld von sich.

Im Sommer 2012 wurde der Hauptangeklagte Raphael T. (37) in Israel von drei Verbindungsmännern, deren Identität der Justiz nicht bekannt ist, angeworben, um für eine Gruppierung zu arbeiten, die auf mehreren Internetseiten vorgibt, Online-Apotheken zu betreiben und originale Potenzmittel zu vertreiben. Tatsächlich würden jedoch nur Fälschungen an die Kunden ausgeliefert werden, wie Staatsanwalt Stürzer in seinem Eröffnungsplädoyer ausführte. Mit der Aussicht einer „verlockenden Provision“ sollte er von Wien aus die Verpackung und den Versand der gefälschten Pillen organisieren. Aufgrund von Spielschulden in der Höhe von einer Million Euro nahm T. das Angebot an.

Dabei wurde Kunden auf rund 50 Internet-Seiten - darunter www.apotheke-austria.com, www.pharmathek-europe.com und www.meddirekt.com - Potenzmittel wie Viagra, Cialis und Levitra zu besonders günstigen Preisen angeboten. Die Angeklagten sollten die Bestellungen bearbeiten, die ihnen von ihren Hintermännern beinahe täglich an eine Email-Adresse übermittelt wurden. Die Ware wurde über eine Spedition in ein Lager in Simmering gebracht, wo sie sicher versteckt wurde. Anschließend wurde sie verpackt und an die Kunden ausgeliefert.

Sie „betreuten“ auch vier eigens bei heimischen Geldinstituten eingerichtete Bankkonten, auf welchen die Zahlungen für die vermeintlichen Potenzmittel eingingen. Ein großer Teil des Geldes wurde in weiterer Folge laut Anklage auf zypriotische Bankkonten verschoben. „Ich habe so viele Bankpapiere (...) unterschrieben, dass ich gar nicht mehr weiß, wie viele Konten das gewesen sind“, sagte ein Helfer der Bande, der gegen Geld seinen Namen für die Kontoeröffnung hergab.

Zunächst weihte T. nur seinen 33-jähren Schwager in die Machenschaften ein. Da das Interesse aufgrund der günstigen Preise enorm war, halfen auch bald sein älterer Bruder, seine Schwester und zwei Freunde mit. Die sechs verfügten bald über beachtliche Einkommen, T. soll mit dem Versand laut Staatsanwalt über 9.300 Euro monatlich verdient haben.

Aufgeflogen war die Sache durch einen Zufall. Als Absender für die Sendungen wählten die Beschuldigten tatsächlich existierende Apotheken in Wien. Da aber einige Kuverts nicht ausreichend frankiert waren, wurden die gefälschten Potenzpillen an eine Apotheke im Wiener Bezirk Landstraße retourniert. Die Mitarbeiter wunderten sich über den Inhalt und informierten die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), die wiederum die Kriminalpolizei einschaltete. Anfang September wurde die Gruppierung im Zuge der „Operation Vigorali“ zumindest teilweise zerschlagen.