Eddie Redmayne über Stephen Hawking und schlaflose Nächte
München (APA/dpa) - Wie spielt man einen Astrophysiker, wenn man von der Materie nicht viel Ahnung hat? Für den Briten Eddie Redmayne eine H...
München (APA/dpa) - Wie spielt man einen Astrophysiker, wenn man von der Materie nicht viel Ahnung hat? Für den Briten Eddie Redmayne eine Herausforderung. Im Biopic „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ verkörpert er den berühmten, an der nervenzerstörenden Krankheit ALS leidenden Stephen Hawking. Eine Lehrstunde für den 32-Jährigen, wie er im Interview der Deutschen Presse-Agentur dpa in München erzählte.
Frage: Sie spielen Stephen Hawking, einen berühmten Astrophysiker. War das in der Schule zufällig Ihr Lieblingsfach?
Eddie Redmayne: (lacht) Nein, ich habe Physik abgelegt, als ich 13 oder 14 war. Eine der größten schauspielerischen Herausforderungen bei dem Film war für mich, mir selbst so viel über Physik beizubringen, dass ich den Zuschauern glaubhaft vermitteln konnte, dass ich wusste, worüber ich redete.
Frage: Wie waren Sie denn in dem Fach?
Redmayne: Unbrauchbar! Wirklich schlecht. Mein ehemaliger Physiklehrer wird wahrscheinlich hysterisch werden bei dem Gedanken, dass ich versuche, Stephen Hawking zu verkörpern.
Frage: Sie haben Kunstgeschichte in Cambridge studiert, wo auch Hawking lehrte. Haben Sie ihn auf dem Universitätsgelände mal getroffen?
Redmayne: Ich habe ihn ein paar Mal auf dem Campus gesehen. In Cambridge ist er eine Art Rockstar. Wenn man ihm dort begegnet, ist er immer von vielen Leuten umringt. Es war nicht leicht, einen Blick auf ihn zu erhaschen, aber wenn man es geschafft hat, war es immer sehr aufregend. Ich wusste nur wenig darüber, was er alles geleistet hat. Deshalb war das Drehbuch zu dem Film für mich wie ein Lehrbuch.
Frage: Als Sie sich auf den Film vorbereitet haben, sind Sie ihm aber begegnet. Wie war das für Sie?
Redmayne: Das war wirklich etwas Besonderes. Allerdings war das erst kurz vor den Dreharbeiten. Ich wollte ihn eigentlich schon vorher besuchen, ich habe mich vier Monate lang auf den Film vorbereitet. Aber Stephen war äußerst beschäftigt. Er musste sich um einen Dokumentarfilm kümmern, der kurz darauf erscheinen sollte. Außerdem war er dabei, einige äußerst knifflige Probleme irgendwo im Universum zu lösen. Er ist ein sehr beschäftigter Mann.
Frage: Aber dann habt es endlich doch noch geklappt.
Redmayne: Ja, als ich ihn traf, war es wirklich beeindruckend. Die Begegnungen mit ihm haben einen einzigartigen Rhythmus. Es gibt sehr lange Pausen. Er braucht sehr lange, um zu kommunizieren. Ich habe angefangen, diese Pausen mit Informationen über ihn selbst zu füllen - ich habe ihm von ihm selbst erzählt. Es dauerte 40 Minuten, bis ich sich meine Aufregung gelegt hatte. Aber er war so lustig und witzig. In seinen Augen liegt so ein Glitzern, eine wunderbare Verschmitztheit. Es war ein großes Privileg für mich, ihn zu treffen.
Frage: Wie sind Sie damit klar gekommen, eine Person zu spielen, die noch lebt? Das ist ja auch eine große Verantwortung.
Redmayne: Ich habe nur wenig geschlafen. Diese Verantwortung ist zweischneidig. Sie kann einen lähmen, sie kann einen aber auch anregen und dazu bringen, hart zu arbeiten. Ich hoffe, letzteres war bei mir der Fall!
Frage: Wissen Sie, ob Stephen Hawking der Film gefallen hat?
Redmayne: Er war sehr freundlich, Gott sei Dank. Kurz nach unserem Treffen wollte er sich den Film ansehen. Ich habe ihm gesagt, ich sei sehr nervös und ich bat ihn, mir zu sagen, was er über den Film denkt. Er dachte einige Zeit nach und sagte dann: „Ich lasse Sie wissen, wie es mir gefallen hat - gut oder das Gegenteil davon.“ Ich sagte, „Ok Stephen, wenn es das Gegenteil ist, sagen Sie einfach ‚das andere‘, ohne weiter ins Detail zu gehen“. Aber er war so großzügig. Das Schönste war: Er besitzt das Copyright an seiner berühmten Stimme. Zuerst hatten wir deshalb im Film nur eine ähnliche Stimmversion benutzt. Aber nachdem er den Film gesehen hatte, gab er uns seine echte Stimme. Die Stimme, die Sie im Film hören, ist also seine. Das war für mich das Größte!
Frage: Es war sicher schwierig, einen Patienten mit ALS zu spielen, bei dem sich die Muskeln etwa im Gesicht irgendwann nur noch minimal bewegen. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Redmayne: Ich habe vier Monate lang regelmäßig eine Klinik in London besucht und habe mich dort mit Spezialisten getroffen. Ich habe Menschen kennengelernt, die an ALS erkrankt sind, und ihre Familien. Manche haben mich netterweise sogar zu sich nach Hause eingeladen, damit ich nicht nur sehe, mit welchen körperlichen Schwierigkeiten diese Krankheit verbunden ist, sondern auch, was sie emotional für die Familien und die Patienten bedeutet. Ich habe sehr viele Dokumentationen über Stephen gesehen. Und ich habe viel Zeit vor dem Spiegel verbracht. Ich wollte lernen, die Muskeln im Gesicht genauso zu bewegen, wie er; Muskeln, die wir normalerweise nicht benutzen, weil wir das nicht nötig haben. Ich habe sehr viel ausprobiert.
Frage: Von Stephen Hawking stammt der Satz: „So lange es Leben gibt, gibt es Hoffnung.“ Sollte man Mitleid mit ihm haben oder ist sein Leben so ausgefüllt, dass er dieses Mitleid nicht nötig hat?
Redmayne: Die Einschränkungen und Hindernisse, mit denen er zu kämpfen hat, sind außerordentlich groß. Die Krankheit ist grausam und brutal. Jeder, der es schafft, mit ihr zu leben und diese Hindernisse zu überwinden, verdient allergrößten Respekt. Die Tatsache, dass Stephen das so umfassend und voller Energie meistert und dabei noch so außergewöhnliche Leistungen vollbringt, ist wirklich bewundernswert.
(Das Gespräch führte Cordula Dieckmann/dpa)