Bühne

Heiße Butter-Tränen mitten im Hobbykeller

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Ferdinand Schmalz’ „am beispiel der butter“: großes Text- und Schauspielertheater im Burg-Vestibül.

Von Bernadette Lietzow

Wien – Gegen die „magermilchdünnen“ Nebel im öden Tal hilft eine Batterie „Klare“, mit dem die stieläugige Jenny, „Besitzerin der Bahnhofsreste“, den begehrten Hans von der Molkerei-Security großzügig abfüllt. Diesem, einem Mann, der nicht zum Lachen in seinen Keller geht, sondern dort sein ureigenstes kleines Reich der Gewalt errichtet hat, ist der Futterer Adi ein Dorn im Auge. Der Adi ist ein Gerechter im Dunkel des Milch-Betriebes, ein störrischer Kämpfer für das Recht auf Selbstbestimmung in den neoliberalen Zeiten der Selbstoptimierung.

Im am Donnerstag im Vestibül des Burgtheaters aufgeführten Stück „am beispiel der butter“ verhandelt der 1985 in Graz geborene Autor Ferdinand Schmalz entlang des roten, oder in diesem Fall eher buttergelben Fadens eines Arbeitskonfliktes, nichts weniger als den quälenden Verlust des Selbstbestimmung des Subjekts als Folge eines entgleisten Kapitalismus. Gewinner des Spiels werden nicht der Adi und seine junge Mitstreiterin Karina sein, sondern Huber, der karrieretechnisch überaus geschickte Molkereimanager, und Hans, sein allzeit bereiter Adlatus. Sie vergreifen sich in einem halb-fiktiven Exzess an der jungen Frau und können sich lustig machen über die Tal- und Weltrettungsfantasien des Futterer-Adi, der einen Butter-Tsunami losschicken möchte, als Rache für Karina und zur Reinigung einer bestochenen, sich selbst zugrunde richtenden Gesellschaft.

Die Butter-Metapher ist allgegenwärtig in Ferdinand Schmalz’ Text, wenn „heiße Butter-Tränen“ bei Karinas Schändung im Hobbykeller vergossen werden und der Bierernst zum „Butterernst“ mutiert. Die große Leistung des mittlerweile überaus erfolgreichen Dramatikers ist die vollkommene Absage an billigen Sprachwitz und selbstverliebte Textflächen: Ihm gelingen die kraftvolle Bebilderung eines zeitgenössischen Diskurses und glaubhafte, plastische Figuren. Regisseur Alexander Wiegold, der schon mit seiner Umsetzung von Stanislav Lems „Solaris“ Furore gemacht hat, stellt erneut seine beeindruckende Genauigkeit in Bezug auf Sprache und Schauspielerführung unter Beweis. Milchweiß ist die Bühne von Claudia Vallant, zugleich Molkerei und Bahnhofstschecherl, ebenso hell die gelungenen Kostüme von Moana Stemberger. Peter Knaack begeistert als der an seiner Auflehnung Schiffbruch erleidende Adi, Jasna Fritzi Bauer macht in der Rolle der jungen Karina glaubhaft deren Prozess der „Formfindung“ deutlich und Catrin Striebeck steht ihren Kollegen als Jenny, in deren Körpergedächtnis eine Prinzessin ruht, in nichts nach. Marcus Kiepe als beklemmend schwacher Hans erntet für seinen furiosen Monolog verdienten Zwischenapplaus und Michael Masula setzt den schmierigen Huber äußerst pointiert um. In fabelhafter Ensembleharmonie veredeln die Darsteller so den gewichtigen Text und machen dessen Brisanz deutlich. Schmalz für das Zuschauerhirn und ein großer, nachhallender Theaterabend.