Hoffen auf Friedensgespräche, Ukraine bleibt auf NATO-Kurs
Trotz einer neuen Waffenruhe wurden in der Ostukraine fünf Soldaten binnen 24 Stunden getötet. Der EU-Gipfel verweigerte Kiew indes weitere Finanzhilfen.
Kiew/Brüssel – Trotz vereinzelten Brüchen der Waffenruhe, haben sich am Freitag die Anzeichen auf baldige Friedensgespräche im Ukraine-Konflikt verdichtet. Präsident Petro Poroschenko brachte sein Land unterdessen weiter auf NATO-Kurs. Die Staats- und Regierungschefs der EU ließen die Russland-Sanktionen vorerst aufrecht, konnten sich aber auch zu keiner weiteren finanziellen Unterstützung Kiews durchringen.
Die Ukraine-Kontaktgruppe, bestehend aus Vertretern Kiews, der Rebellen im Osten sowie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und Russlands, werde sich am Sonntag oder Montag erneut in der weißrussischen Hauptstadt Minsk treffen, erklärte Frankreichs Präsident Francois Hollande am Donnerstagabend nach dem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs. Poroschenko selbst sprach von Sonntag, die Rebellen brachten aus „technischen Gründen“ Montag oder Dienstag ins Spiel.
Separatisten stellen zahlreiche Bedingungen
Behandelt werden müsste in Minsk die Einhaltung der Waffenruhe, der Austausch von Gefangenen sowie der Abzug von Artillerie und anderer Militärtechnik, sagte Separatistenführer Denis Puschilin am Freitag. Er verlangte zudem ein Ende der Wirtschafts- und Finanzblockade des Donbass durch die ukrainische Führung sowie einen Sonderstatus für die Region.
Das letzte Treffen dieser Art hatte es Anfang September gegeben. Damals wurden auch Schritte einer Konfliktlösung vereinbart, die bisher nicht umgesetzt sind. Diese beinhalteten auch einen Waffenstillstand der anfangs äußerst brüchig war, nach einer erneuten Bestätigung am 9. Dezember jedoch großteils eingehalten wird. Vereinzelt kommt es aber immer wieder zu Kämpfen: Allein am Donnerstag und Freitag seien binnen 24 Stunden fünf Soldaten getötet und sieben weitere verletzt worden, sagte ein Militärsprecher in Kiew.
Ende der Blockfreiheit als Schritt Richtung NATO
Ebenfalls in Kiew brachte Poroschenko am späten Donnerstag ein Gesetz ins Parlament eingebracht, das dem Land den Weg zu einem NATO-Beitritt ebnen soll. Dafür muss zuerst der Status als Blockfreier aufgehoben werden. Der Text wurde am Freitag auf der Internetseite der Obersten Rada veröffentlicht. Die Annahme des Gesetzes in der kommenden Woche gilt als sicher.
Russland sieht in einem Beitritt der Ukraine zum westlichen Militärbündnis eine Gefahr für seine Sicherheit. Es handle sich um eine Provokation, wetterte Außenminister Sergej Lawrow am Freitag. Allerdings lehnt derzeit auch die Mehrheit der NATO-Staaten einen Beitritt der Ukraine zu dem Militärbündnis ab.
In Brüssel hielten unterdessen die Staats- und Regierungschefs der EU wie erwartet an den Sanktionen gegen Moskau fest, ließen aber bewusst die Tür für Gespräche offen. „Es ist im Interesse aller, schnell Lösungen zu finden. Im Interesse der Ukraine, im Interesse Russlands, im Interesse Europas“, betonte etwa Frankreichs Präsident Hollande nach dem EU-Gipfel am Donnerstag.
IWF soll vor neuen EU-Finanzhilfen prüfen
Zu neuen finanziellen Hilfen für die pleitebedrohte Ukraine konnten sich die Gipfelteilnehmer nicht durchringen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte den zusätzlichen Finanzbedarf auf zwei Milliarden Euro beziffert. Es sei nicht über konkrete Details gesprochen worden, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. „Die EU wird prüfen, wie viel makrofinanzielle Hilfe sie beisteuern kann.“ Die Führung solle dabei der Internationale Währungsfonds (IWF) haben. Über Waffenlieferungen an die Ukraine sei nicht gesprochen worden.
Deutschlands Außenminister Steinmeier, der sich am Freitag zu Gesprächen mit der Staats- und Regierungsspitze in Kiew aufhielt, warnte unterdessen vor den Folgen der Sanktionen gegen Russland. Auf die Frage, ob er besorgt sei, dass Russland destabilisiert werde, wenn Europa die Sanktionen nicht lockere, antwortete er dem deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“: „Die Sorge habe ich.“ Wer Russland wirtschaftlich in die Knie zwingen wolle, irre gewaltig, wenn er glaube, dass das zu mehr Sicherheit in Europa führen würde. „Ich kann davor nur warnen“, sagte Steinmeier.
Zugleich sprach er sich klar gegen eine Verschärfung der Sanktionen aus. Russland zahle jetzt den Preis für den Vertrauensverlust wegen der Ukraine-Krise. Zusammen mit dem dramatischen Rubelverfall und den steil fallenden Energiepreisen sei das eine handfeste Wirtschafts- und Finanzkrise, die sicher auch innenpolitische Wirkung entfalten werde. „Es kann nicht in unserem Interesse sein, dass diese völlig außer Kontrolle gerät“, sagte Steinmeier. (APA/Reuters/AFP/dpa)
Das ukrainische Gesetz zur Aufhebung des blockfreien Status
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat dem Parlament am Donnerstag einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des blockfreien Status der ehemaligen Sowjetrepublik vorgelegt. Er begründet diesen Schritt mit der „Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine“ und der „ungesetzlichen Annexion der Autonomen Republik Krim“.
Bisher war der blockfreie Status in den Grundlagen der Innen- und Außenpolitik des Landes verankert. Diese Linie sei allerdings nicht „effektiv“ für die Sicherheit des Landes, heißt es in einer Erklärung zum Gesetz.
„Das lange Verharren der Ukraine in einer „grauen“ Pufferzone zwischen gewaltigen Systemen der kollektiven Verteidigung gilt als zusätzliche Herausforderung“, stellt die Präsidialverwaltung in einem Text zum Gesetz fest. Die internationalen Verpflichtungen zur Achtung der Unabhängigkeit und Unantastbarkeit der Grenzen der Ukraine hätten sich als „unzureichendes Instrument“ für außenpolitische Sicherheitsgarantien erwiesen.
Vor allem das Budapester Memorandum von 1994, mit dem die Ukraine auf den Besitz von Atomwaffen gegen Garantien der USA, Russlands und Großbritanniens verzichtete, habe sich als unwirksam erwiesen. Ziel sei daher die Mitgliedschaft in der NATO. Auch das vorher bereits festgeschriebene Ziel einer Mitgliedschaft in der EU wird mit der Novelle noch einmal bekräftigt.