Flüchtlingsfamilie in Kufstein: Weihnachten, fern der Heimat
Die Familie Safarjan aus Armenien erlebt heuer das Weihnachtsfest im Flüchtlingsheim Kufstein. Das schönste Geschenk für die drei wäre, wenn sie in Österreich bleiben dürften.
Von Wolfgang Otter
Kufstein –Es sind an die 4000 Kilometer, die zwischen Karen Safarjan und seinen Eltern liegen. Eine Entfernung, die zur Weihnachtszeit noch viel weiter erscheint. Doch in Armenien habe er nicht mehr bleiben können, wie der 31-Jährige erzählt. Daher hat er sich aufgemacht, um sich dem großen Flüchtlingsstrom in Richtung Westen anzuschließen. Einer neuen, besseren Zukunft entgegen, wie er hoffe. Vor etwas mehr als einem Jahr kam er über verschlungene Wege nach Österreich. Es ist also nicht sein erstes Weihnachten fern der alten Heimat. Zumindest kann er sie heuer mit seiner Frau Arusjak und Tochter Roza feiern, die im Laufe des Jahres nachgekommen sind. Alle drei warten nun im Flüchtlingsheim in Kufstein auf die Entscheidung der Behörde über ihre weitere Zukunft.
Mittlerweile haben sich die drei gut in Kufstein eingelebt. Der Familienvater, eigentlich bislang selbstständiger Buchhalter, ist für den städtischen Bauhof im Einsatz, die Mutter, studierte Pharmazeutin, half im Seniorenheim mit. Die Tochter drückt die Schulbank. Ein Zimmer mit drei Betten und einem Kasten nennen sie im Flüchtlingsheim Kufstein derzeit ihr Eigen. Die Küche und einen Wohnraum teilen sie mit anderen Familien. „Aber wir sind glücklich, dass wir hier sein dürfen. Österreich ist ein wunderbares Land, Kufstein eine tolle Stadt“, erzählt Karen Safarjan in erstaunlich korrektem Deutsch. Die kleine Familie wisse, dass es ihnen hier besser als Millionen anderen Menschen gehe, die wie sie vor Not und Krieg und politischer sowie religiöser Verfolgung auf der Flucht seien, aber kein Dach über den Kopf haben.
Nur Platz für einen Christbaum, so wie früher in Armenien, gibt es im Zimmer keinen. Die elfjährige Roza hat daher aus Tannenzweigen einen kleinen Baum gebasteltet und ihn mit Kugeln behangen, auf der Spitze thront ein Stern. Er ist nicht prunkvoll und verliert seine Nadeln, als man ihn fotogerecht heranrückt, aber er kommt von Herzen, genauso wie die kleinen Basteleien, die sie Besuchern stolz zeigt. Ein bisschen Weihnachtsstimmung während des Wartens auf jenen Brief der Behörde, mit dem sich entscheidet, ob man bleiben darf. Trotzdem: Die kleine Roza freut sich auf das Weihnachtsfest und vom Christkind habe sie natürlich schon gehört. Zu Hause in Armenien würde die Familie eigentlich erst am 6. Jänner feiern. Wobei Weihnachten im urchristlichen Land Armenien genauso wichtig ist wie in Österreich. Kein Wunder, immerhin ist das Herkunftsland der Familie Safarjan das erste der Welt, in dem das Christentum als Staatsreligion angenommen wurde.
„Das Weihnachtsfest ist in Armenien ein großes und fröhliches Fest“, schwelt Karen Safarjan in Erinnerungen. Abends treffe man sich in der Kirche. Von dort nehme man das Licht mit, das die ganze Nacht scheinen soll. Auch eine Hostie werde mitgenommen, um sie mit der Familie zu teilen. Und Geschenke gebe es auch – aber nur bescheidene, denn den meisten Familien fehle es am Geld, um prunkvoll zu feiern.
Für die Geschenke im Flüchtlingsheim sorgen zahlreiche Kufsteiner mit großen Herzen. „Es sind viele Organisationen und Privatpersonen gekommen und haben bei uns Geschenke abgegeben, die wir nun verteilen“, erzählt erfreut Marina Novikova, seit rund zehn Jahren Leiterin und gute Seele des Flüchtlingsheims. Sie sei immer wieder überwältigt von der Gastfreundschaft der Kufsteiner. Auch die Stadtgemeinde lädt zu einer Weihnachtsfeier. 82 Personen aus 17 Nationen sind derzeit in Kufstein untergebracht. Darunter 18 Kinder, wobei das Flüchtlingsheim eine Besonderheit aufweist: Hier leben im Vergleich mit anderen Orten besonders viele Tibeter (derzeit fünf). Sie haben alle den gleichen Wunsch an das Christkind: in Österreich bleiben zu dürfen. So ist es auch bei der Familie Salatayev, der im März die Abschiebung drohte (die TT berichtete). „Aber sie sind noch da und haben neue Hoffnung. Es haben viele Menschen geholfen, auch der Kufsteiner Bürgermeister Martin Krumschnabel hat sich eingesetzt“, erzählt Novikova. Und bei der Familie Safarjan geht es bald um vier Personen und nicht mehr um drei. Für sie hat also die Geschichte von der Herbergssuche heuer eine besondere Bedeutung.