Hamleys in London: Per Katapultstart in den Spielzeughimmel

London (APA/dpa) - Wer Hamleys betritt, betritt keinen Spielzeugladen, er betritt ein Abenteuerland. „Hereinspaziert, Leute!“, ruft ein Einp...

London (APA/dpa) - Wer Hamleys betritt, betritt keinen Spielzeugladen, er betritt ein Abenteuerland. „Hereinspaziert, Leute!“, ruft ein Einpeitscher mit orangefarbener Warnweste am Eingang und wedelt einladend mit den Armen wie ein Zirkusdirektor. Seine Stimme geht fast unter, weil aus irgendeiner Ecke ein Tarzanschrei hallt. Und fast gleichzeitig fliegt ein Bumerang über die Köpfe Dutzender Menschen hinweg.

In kaum einem Geschäft auf der Welt herrscht eine solche Reizüberflutung, die gezielt auf die jüngsten Kunden wirken soll, wie im Londoner Stammhaus des Spielzeughändlers Hamleys. Es gilt als eines der größten und ältesten Spielwarengeschäfte. Scheichs kommen aus der arabischen Welt nach London, um ihren Sprösslingen die neuesten Spielzeuge zu kaufen. Russische Oligarchen lassen Unmengen für ihre Liebsten in der Regent Street. Die Firma gibt es seit 1760, das Stammhaus im Herzen Londons mit seinen 5.000 Quadratmetern auf sieben Etagen seit 1881. Das Besondere am Hamleys-Konzept: Das Spielzeug wird vorgeführt, die Kinder könne es sofort ausprobieren. Ob es dann zu Hause noch genauso gut klappt, interessiert später nur noch genervte Eltern.

Ein Bub mit einem hauseigenen Milchshake in der Hand wartet, während ihm ein Verkäufer aus formbarem Luftballon-Gummi einen Hut bastelt. Ein Mädchen bekommt ihren Mund vor Staunen nicht mehr zu, als der Kunstschnee in ihrer Hand plötzlich auf die doppelte Menge anschwillt, weil ein Angestellter Wasser draufschüttet. „Drei zum Preis von zwei“ oder „Eines kaufen, ein zweites gratis bekommen“, preisen Schilder an den Regalen an.

Es ist Adventzeit in London. Das bedeutet: Ausnahmezustand in den Einkaufsstraßen, Kundenströme wälzen sich durch Oxford- und Regent Street. „Wenn Sie zu Hamleys wollen, benutzen Sie bitte die rechte Tür“, sagt ein Sicherheitsmann zu den Passanten, die sich auf dem Gehsteig vorbeischieben. Die linke Tür ist heute ausschließlich als Ausgang gedacht. Dabei scheint es so, als braucht es den gar nicht. Eine ganze Schlange steht an, um sich in das Geschäft zu pressen.

Und dessen Geschäftsleitung weiß genau, wie sie Klein und auch Groß verführen kann. „Wie die Spielzeuge dort präsentiert werden, macht sie für die Kinder attraktiv“, erklärt die Kieler Diplom-Psychologin Svenja Lüthge. Sie fährt selbst jedes Jahr zum Weihnachtsshopping nach London und kennt die Taktik: „Was sich bewegt, ist natürlich interessanter als das, was im Regal steht.“

Wenn auch von der rechten Seite Seifenblasen aus einer Plastikpistole in den Gang fliegen und links die kleinste Drohne der Welt ihre Runden dreht: Es gibt noch entspannte Kunden. Zwei Frauen um die 20 schlendern vorbei an einer Bahn für ferngesteuerte Autos. „Absolut schwierig, sich bei der Auswahl zu entscheiden“, sagt die eine. Und die andere findet: „Das ist ja hier so groß wie ein ganzes Dorf!“

Selbst wenn die Verlockung noch so riesig ist: „Man sollte Kindern keine Massen schenken“, rät Psychologin Lüthge. Die Kielerin hält drei Geschenke für Kleinkinder für angemessen. Bei den Größeren würden die Wünsche mit der Zeit sowieso teurer - womit sich die Frage nach der Menge erübrigt. Lüthge: „Man sollte sich auch in der Familie absprechen, damit nicht zehn Playmobil-Pakete unter dem Weihnachtsbaum liegen.“ Fast die Hälfte ihres Umsatzes macht die Spielzeugbranche weltweit kurz vor Weihnachten. Weltweit ist Elektronik im Kinderzimmer schwer auf dem Vormarsch.

Ob das eine gute Entwicklung ist? Ein Vater im Hamleys-Laden macht es sich und seinem Söhnchen vergleichsweise einfach: „Der Weihnachtsmann bringt dir, was immer du willst“, flüstert er dem Buben ins Ohr. Michael Jackson ging es ähnlich. 1996 wurde der komplette Laden für 90 Minuten gesperrt, damit sich der King of Pop bei Hamleys in Ruhe umsehen konnte.