„Bei uns in Kuba“ 2 - Lebensmittelmarken gegen den Hunger
Havanna (APA) - „Als 1962 die Lebensmittelmarken eingeführt wurden, hat man gedacht, die gibt es ohnehin nur ein paar Jahre“, erzählt Rodrig...
Havanna (APA) - „Als 1962 die Lebensmittelmarken eingeführt wurden, hat man gedacht, die gibt es ohnehin nur ein paar Jahre“, erzählt Rodrigo. Jetzt schreibe man 2014 und die Menschen seien noch immer darauf angewiesen. Reis, Bohnen, Öl, Zucker, Eier, Milch für Kinder, Tabakwaren, Kartoffeln und Bananen werden in sogenannten Bodegas, eigenen Läden, gegen Marken zu stark subventionierten Preisen abgegeben.
Dabei muss jeder Kubaner die Marken in einem ihm zugeteilten Geschäft einlösen, das Wechseln des Ladens ist verboten. Die Heftchen werden jährlich ausgegeben, im Monat gibt es zum Beispiel je zwei Kilogramm weißen und dunklen Zucker, knapp drei Kilo Reis und zwei Liter Öl. Andererseits gibt es kaum Analphabeten, und die Gesundheitsversorgung ist ausgesprochen gut. Es gibt praktisch kein Dorf ohne Arzt, die Behandlung ist kostenlos, was laut Einheimischen dazu führt, dass Exilkubaner aus den USA, wenn sie ernsthaft erkranken, heimfahren, um sich hier behandeln zu lassen.
Rundreisen werden von einer staatlichen Firma organisiert, da darf ein Besuch in Santa Clara beim Mausoleum von Revolutionsführer Ernesto Che Guevara natürlich nicht fehlen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind streng, nicht einmal eine Handtasche darf mitgenommen werden. Auf die Frage, warum man so agiere, kommt die Antwort: „Die Exilkubaner drohen immer wieder damit, das Mausoleum zu sprengen.“ Obligatorisch für Rundreisende ist auch ein Dokumentarfilm über „Che“, der im Reisebus gezeigt wird. Und an Souvenirständen schlägt Guevara Castro sowieso um Längen.
Es gibt viele Klischees zu Kuba: den Rum, das Zuckerrohr, die Zigarren, die Musik, die Sandstrände und die Palmen, um nur einige zu nennen. Das Absurde ist, sie stimmen alle, und natürlich auch wieder nicht. Tatsache ist, dass Rum bei keinem kubanischen Fest fehlen darf. Dabei hat sich eine uralte Tradition erhalten, dass der erste Schluck einer neuen Flasche auf den Boden gespritzt wird, als Opfer für die Götter. An beinahe jeder Ecke spielen Musiker kubanische Rhythmen, für die Touristen, natürlich, aber auch die Putzfrau im Hotel in Varadero singt beim Wischen des Bodens, und das sicher nicht für die Touristen. Und Compay Segundo, der durch Ry Cooders Film „Buena Vista Social Club“ Weltruhm erlangte, ist auch nach seinem Tod mit dem Song „Chan Chan“ allgegenwärtig. Gerne und oft wird auch erzählt, dass der Cha cha cha ebenso kubanischer Herkunft sei wie der Mambo, und dass das weltweit berühmte „Besame mucho“ ebenfalls aus Kuba stammt.
Die Strände, das Meer und die Palmen sind so schön wie im Prospekt, die karibischen Sonnenuntergänge noch schöner. Auf der Halbinsel vor Varadero gibt es fast 20 Kilometer lang ein Hotel nach dem anderen, praktisch alle bieten „All inclusive“ an, neben vielen Europäern kommen auch sehr viele Urlauber aus Kanada hierher. Viele von ihnen machen Kluburlaub. Eine Gruppe aus Karlsruhe erzählte, man sei schon fast zwei Wochen hier im Hotel, von der Insel habe man nichts gesehen. Gefallen hat es ihnen nicht, das nächste Mal fahre man wieder in die Dominikanische Republik.
Sie haben viel versäumt. Die Einheimischen sind kommunikativ und neugierig, geben auch bereitwillig Auskunft, obwohl es ein Gesetz gibt, wonach Kubaner nicht mit ausländischen Touristen sprechen dürfen. „Das gilt auch für Reiseleiter“, schmunzelt Rodrigo. Auf die Frage, wie man damit umgeht, meint er nur: „Es gibt halt dieses Gesetz.“
Ein anderes Gesetz verbot den Kubanern lange Zeit, private Geschäfte zu eröffnen. Das wurde inzwischen gelockert, nun gibt es Privatrestaurants ebenso wie nicht staatliche Zimmervermietungen und kleine Privathotels. Sehr oft war auf der Insel Ende November zu hören: „Es wird sich etwas ändern, es dauert nicht mehr lange.“ Ob diese Hoffnung mit dem fortgeschrittenen Alter der Castro-Brüder zusammenhängt, auf diese Frage erhält man allerdings selten eine Antwort. Bis sich etwas ändert, lebt man mit den drei kubanischen Prinzipien weiter, die da lauten: Geduld, Improvisationsfähigkeit und Hoffnung.