Rennen um Präsidentenamt: Alles offen vor der Stichwahl in Kroatien
Am 11. Jänner kommt es zum entscheidenden Wahlduell zwischen Präsident Ivo Josipovic und seiner Herausforderin Kolinda Grabar Kitarovic.
Zagreb - Präsident Ivo Josipovic und seine Konkurrentin Kolinda Grabar Kitarovic haben in der Nacht nach der Präsidentenwahl sofort erkannt, auf welche Wähler sie für die Stichwahl am 11. Jänner setzen müssen: Auf jene von Überraschungskandidat Ivan Sincic. Beide Kandidaten buhlten in ihren ersten Auftritten nach der Wahl um die Unzufriedenen, die den 24-Jährigen mit 16,24 Prozent der Stimmen wählten.
Der Unterschied zwischen Josipovic und seiner Herausfordererin ist nach der vollständigen Auszählung der Stimmen minimal. Den amtierenden Präsidenten wählten 38,46 Prozent der 3,8 Millionen wahlberechtigten Kroaten, Grabar Kitarovic 37,22 Prozent, es trennen sie nur 22.250 Stimmen.
Doch während es für Grabar Kitarovic als Kandidatin der Oppositionspartei HDZ ein Leichtes sein wird, in den zwei Wochen vor der Stichwahl noch gegen die unpopuläre Mitte-Links-Regierung unter dem sozialdemokratischen Premier Zoran Milanovic Stimmung zu machen, hat Josipovic als Regierungskandidat weniger Raum, zurückzurudern. Seine Aufgabe wird laut seinen Wahlstrategen nun sein, mehr mit dem Wahlvolk zu kommunizieren.
Themen, die Sincics Wähler bewegt hatten, waren die immer größer werdende Ungleichheit in der Gesellschaft, die wachsende Armut sowie die Banken, die laut Sincics das Land in Geiselhaft genommen hatten, und seine Kritik an staatlichen Institutionen, wie etwa der Staatsanwaltschaft, des Arbeitsamtes oder der Nationalbank.
Mit einer Wahlempfehlung Sinsics können die Kandidaten nicht rechnen. Aus „moralischen Gründen“ könne er keinen der beiden unterstützen, sagte Sincic in einem Interview am Montag. Am 11. Jänner werde er entweder ungültig wählen oder gar nicht wählen gehen.
Sincic hat bei den Protestwählern einen wunden Punkt getroffen. Kroatiens Wirtschaft stagniert seit sechs Jahren, und auch zu einer Erholung 2015 äußerten sich Experten skeptisch. Milanovics Regierung hat mit diesen Vorzeichen kaum Chancen, bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr wiedergewählt zu werden. In der Wahlnacht versuchte der Premier daher, die Misere im Land als „nicht zu schlimm“ dazustellen. Viel gefährlicher ist seiner Meinung nach die Rückkehr der durch Korruption belasteten HDZ.
Diese jedoch ist mit dem Erfolg ihrer Kandidatin Grabar Kitarovic, mit dem die Meinungsforscher nicht gerechnet hatten, wie von den Toten auferstanden. Ohne besonderes Zutun und auf die Misserfolge der unentschlossenen Sozialdemokraten zählend bahnt sich die HDZ nach dem Debakel bei den Wahlen 2011 und der Verurteilung ihres Ex-Premiers Ivo Sanader wegen Korruption Wahlsieg für Wahlsieg ihren Weg zurück an die Macht.
Wer hingegen in zwei Wochen gewinnen wird, darüber sind sich Beobachter uneins. Während der politische Analyst Davor Gjenero meint, Grabar Kitarovic könne „schon den Champagner einkühlen“, ist der Politologe von der Universität Zagreb, Zdravko Petak, noch vorsichtig. Im vollkommen offenen zweiten Wahlgang werde die Glaubwürdigkeit der Politiken ausschlaggebend sein, sagte Petak, wie die HINA berichtete. Er erwartet, dass die Kampagne „fortan viel rauer wird“, und er warnt: „Es ist eine Illusion, mit den Wählern zu rechen, die nicht zu den Wahlen gegangen sind, und sie als Reservewähler zu betrachten. Man muss die Stimmen der Leute umwerben, die wählen gegangen sind.“ Die Wahlbeteiligung am Sonntag betrug nur 47 Prozent. (APA)