Diskussion in Graz: „Gibt es einen Islam österreichischer Prägung?“

Wien/Graz (APA) - Die Fragestellung „Gibt es einen Islam österreichischer Prägung?“ bei einer Diskussion Donnerstagabend auf der Grazer Uni ...

Wien/Graz (APA) - Die Fragestellung „Gibt es einen Islam österreichischer Prägung?“ bei einer Diskussion Donnerstagabend auf der Grazer Uni offenbarte geteilte Meinungen am Podium und im Publikum. Religionswissenschafter Ednan Aslan von der Uni Wien plädierte für einen europäischen Islam. Landespolizeidirektor Josef Klamminger erklärte u.a., was man auf keinen Fall brauche, sei „ein Generalverdacht“ für Muslime.

Der Diskussionsleiter, der Historiker Siegfried Beer vom Austrian Center for Intelligence, Propaganda und Security Studies (ACIPSS) an der Uni Graz gab zu Beginn der Diskussion einige Denkanstöße mithilfe von Zitaten aus amerikanischen Medien, da Islam von vielen mit Gewalt und Terrorismus gleichgesetzt werde. So hieß es kürzlich in der „Washington Post“: Der Gegenwind für gewalttätige religiöse Strömungen müsse von religiösen Zentren in u.a. Ägypten oder Saudi-Arabien kommen. Es brauche mehr Dialog mit der muslimischen Bevölkerung, und effektive Kampagnen müssten sich der sozialen Medien bedienen. Die US-Website „Daily Beast“ habe laut Beer einen Opfer-Vergleich gezogen: „Seit 9/11 sind 37 US-Bürger durch muslimisch motivierte Gewalt getötet worden, 190.000 Amerikaner aber kriminell motivierten Morden zum Opfer gefallen“.

Ednan Aslan vom Institut für Islamische Studien der Uni Wien versuchte bei der vom Verein „Sicher leben in Graz“ veranstalteten Diskussion vor rund 120 Zuhörern u.a. deutlich zu machen, dass es „den Islam“ nicht gebe. Im Gegenteil habe dieser viele Gesichter: Aslan stellte die Fotos der drei Attentäter von Paris jenen des getöteten Polizisten Ahmed Merabet und des Shophelfers Lassana Bathily gegenüber, der zum Teil jüdische Kunden vor dem Angreifer in einem Kühlraum versteckt hatte. Dann zeigte er eine Darstellung der verschiedenen Richtungen - von mythisch geprägten Strömungen wie dem Sufismus über pluralistische Denkschulen, inklusive wie exklusive Strömungen: „Inklusivisten meinen, sie sind besser, aber die anderen dürfen noch hoffen, sie sind nicht ganz verloren“. Exklusivisten plädierten auf eine ausschließliche Auslegung; Pluralisten hingegen meinten, weder aus dem Koran noch aus der Sunna sei ein einheitlicher Islam abzuleiten.

„In dieser Vielfalt eine Prägung zu finden, das wird in Österreich noch wachsen müssen“, sagte Aslan. „Das Bild des Islam bei den Menschen hängt davon ab, was Muslime aus ihrem Glauben machen. Prägung ist notwendig. Wenn wir ihn hier in Österreich nicht prägen, wird er im Ausland geprägt“, so Aslan. Auf einen Zwischenruf aus dem Publikum, das Bild hänge künftig auch stark von den Frauen im Islam ab, erklärte der Theologe: „Natürlich, sie sind enorm wichtig für eine ‚weibliche‘ Prägung der islamischen Theologie, darauf hoffe ich“.

Aslan erklärte weiters, dass Gemeinschaften, die Selbstkritik nicht zuließen, keine Zukunft hätten: „So kann man sich in Europa nicht beheimaten. Selbstkritik und Kritik schadet uns nicht. Isolation und Opferrolle hilft nicht weiter“.

Wenn man einen Islam europäische Prägung wolle, dann brauche es u.a. die Ausbildung der Theologen hierzulande, Pluralität als Grundlage islamischer Theologie, kritische Reflexion und Entpolitisierung eigener theologischer Geschichte und eine Reform des islamischen Rechtssystems, nach dem Grundsatz: „Bürger und Muslim“. Haben wir also einen Islam österreichischer oder europäischer Prägung, fragte Aslan: „Nein, noch nicht, aber er ist machbar“.

Claudia Unger vom Afro-Asiatischen Institut: „Europäisch muss der Islam hierzulande aus meiner Sicht jedenfalls sein. Am ‚Afro‘ haben wir Studierende aus Syrien und Kopten aus Ägypten, sehr gemischt, das verpflichtet zum sorgfältigen sachlichen interreligiösen Dialog“. In Europa sollen Religionen Platz haben, Vorstellungen wie Gleichberechtigung seien aber nicht verhandelbar. „Dialog verlangt Ansprechpartner, ich wünsche mir deutlichen Anstieg der Frauen auf wissenschaftlicher und repräsentativer Ebene“, so Unger. Zur Frage der Reform des islamischen Rechtssystems sagte sie, die Rechtssysteme in Europa seien „ausreichend für die Wahrnehmung von Rechten und Pflichten“.

Als mit der Materie vertraut zeigte sich der steirische Landespolizeidirektor Josef Klamminger: Er ging auf die verschiedenen Denk- und Rechtsschulen des Islam ein und wies daraufhin, dass Österreich noch in der Habsburger Monarchie den Islam als Religionsgemeinschaft staatlich anerkannt habe. „Österreich ist ein Haus des Friedens, die freie Glaubensausübung ist gewährleistet. Problematisch wird es, wenn die Freiheit des einzelnen die des anderen überschneidet, zum Beispiel in Hinsicht auf die Verletzung religiöser Gefühle und Meinungsfreiheit“.

Eines der Probleme liegt nach Klammingers Ansicht u.a. darin, dass Terroristen sich auf den Schwertvers der Sure 9 berufen würden. „Österreich ist ein neutrales Land, wir müssen verhindern, dass die Radikalisierung Platz greift. Dazu brauchen wir eine Brücke zwischen Demokratie und Islam. Wir müssen das Miteinander fördern. Wir brauchen keinen Generalverdacht, was wir brauchen, ist ein Islamgesetz“, so Klamminger.

Nach den Statements glitt die Debatte mitunter in Richtung Ursache von islamisch motivierten Terrorakten. Der Gedanke eines Islams europäischer Prägung fand nicht ungeteilte Zustimmung. Einige Teilnehmer aus dem Publikum nannten vor allem US-Invasionen in arabischen und islamischen Ländern wie dem Irak als Mitauslöser für antiwestliche Haltungen. Aslan meinte dazu, es ginge „nicht nur um die Fehler von George W. Bush. Mir ist viel wichtiger, wie gehen wir damit um. Wir machen als Muslime einen Fehler, wenn wir Fehler immer außerhalb unserer Gemeinde suchen. Zwei Argumente höre ich immer wieder: Amerikaner und Europäer sind selbst Verursacher der Gewalt und dann die Juden. Setzen wir uns mal hin und reden wir“, so Aslan. Im islamischen Kulturkreis kritisiere man den Westen und dessen Doppelmoral seit fast über 100 Jahren - „Wir kommen damit nicht weiter. Ich bestehe darauf, das Hauptproblem liegt bei uns“. Es sei die Frage, wie könne man den Islam so gestalten, dass er nicht als fremd wahrgenommen werde. Er müsse als Bereicherung der Gesellschaft wahrgenommen werden.