Luxusstadt oder Luftschloss? Belgrad plant neues Viertel

Belgrad (APA/dpa) - Nach dem Vorbild atemberaubender Projekte in den arabischen Golfstaaten soll Belgrad in einem Kraftakt neu gestaltet wer...

Belgrad (APA/dpa) - Nach dem Vorbild atemberaubender Projekte in den arabischen Golfstaaten soll Belgrad in einem Kraftakt neu gestaltet werden. Das aus Abu Dhabi stammende Bauunternehmen Eagle Hills will drei Milliarden Euro in der serbischen Hauptstadt investieren, um am rechten Ufer des Save-Flusses ein Stadtviertel der Superlative mit Luxuswohnungen in Hochhäusern zu errichten.

So soll es etwa einen 220 Meter hohen Wolkenkratzer geben, Büros, Hotels und Einkaufszentren. Die serbische Regierung will in dem öffentlich-privaten Projekt der Extraklasse ein 90 Hektar großes Areal für die Prachtbauten auf eigene Kosten vorbereiten. Der alte Bahnhof soll verlegt und ein neuer gebaut werden. Auch der zentrale Busbahnhof soll verschwinden.

Eine Eisenbahnbrücke über die Donau müsste gebaut, die bisher im Stadtteil Savamala stehenden Gebäude müssten abgerissen werden, ihre Eigentümer entschädigt. Wasserversorgung, Kanalisation, Strom und Verkehrsinfrastruktur sind außerdem noch bereitzustellen.

Ministerpräsident Aleksandar Vucic wolle damit in die Geschichtsbücher eingehen, mutmaßen Kritiker. Der Regierungschef preist die „historischen Chancen“ an: Belgrad solle zum Wirtschaftszentrum von Südosteuropa aufsteigen und ein internationaler Magnet für Touristen werden. Seit Montag können sich Bürger für den Kauf der geplanten Wohnungen anmelden, wie Bürgermeister Sinisa Mali sagt - auch wenn sie noch gar nicht wissen, wie teuer die am Ende sein werden.

Tausende Bürger haben in den vergangenen Tagen ihrem Ärger in sozialen Medien Luft gemacht. „Es startet der Verkauf von Luft für die Dummen“, hieß es etwa in einer Zuschrift an den Belgrader TV-Sender B92. „Ist das ein Witz“? und „Von welchem Geld?“, schrieben andere bei Durchschnittslöhnen in Serbien von rund 400 Euro. Und da Pensionisten und Beschäftigten im Öffentlichen Dienst gerade die Bezüge drastisch gekürzt wurden, fragten andere: „Akzeptiert Ihr auch Wertmarken?“

Der Architektenverband AAS fuhr vor wenigen Tagen starke Geschütze gegen das Projekt auf: Das Vorhaben beruhe auf der Basis eines Modells, „dessen Autor und Herkunft unbekannt sind“. Vucic habe für sein Lieblingsprojekt die Parlamente als Bürgervertretungen „in Zustimmungsmaschinen umgewandelt“. Es gebe Verstöße gegen die Verfassung, zahlreiche Gesetze und internationale Konventionen.

Der Staat habe sich gegenüber dem privaten Investor vom Golf zu gewaltigen, aber eigentlich unlösbaren Infrastrukturmaßnahmen verpflichtet. So müsse der Hauptzubringer zum neuen Viertel, die Savska-Straße, zwölfspurig ausgebaut werden. Doch dafür fehle der Platz. Niemand wisse, wie täglich 25 Millionen Kubikmeter Wasser, 100 Megawatt Strom und 40.000 Parkplätze bereitgestellt werden könnten. Daher laute die „einzig vernünftige Schlussfolgerung, das Projekt eiligst aufzugeben“, hieß es in einer Analyse von Experten.

Auch Dutzende internationale Stadtplaner aus dem Verband INURA kamen nach einer Besichtigung zu ähnlichen Einschätzungen. In einem Offenen Brief kritisierten sie die „hohen wirtschaftlichen Risiken und die geringen Vorteile für Belgrad“. Die Umweltverträglichkeit in dem Überschwemmungsgebiet sei außerdem gar nicht untersucht worden. Die schwache Opposition hatte am Freitag angekündigt, einen Antrag auf Offenlegung aller Pläne zu stellen, die bisher geheim seien.

Diese Verträge existierten möglicherweise gar nicht, hieß es von der Anti-Korruptionsorganisation Transparency Serbia. Die Bürger hätten das Recht, über die Risiken aufgeklärt zu werden. Schließlich gebe es weder die vorgeschriebenen internationalen Ausschreibungen noch eine Machbarkeitsstudie. Zeitungen zitierten in der vergangenen Woche den Architekten des spektakulären Wohn- und Büroturms, George Efstathiou: Er sei noch nie in Belgrad gewesen.

(S E R V I C E - Offizielle Website Belgrade Waterfront mit vielen Fotos, Englisch: http://www.belgradewaterfront.com/en )