Traum von Liebe und Freiheit
„Strawinski . 3D“ am Tiroler Landestheater. Die Tanzcompanie zeigt an einem Abend „Petruschka“, „Der Feuervogel“ und „Le sacre du printemps“.
Von Ursula Strohal
Innsbruck –Wer ist der alles überwältigenden Musik von Igor Strawinskis „Le sacre du printemps“ tänzerisch gewachsen? Die Tanzcompanie am Tiroler Landestheater schickt zunächst zwei Stücke voraus und weil Enrique Gasa Valga nicht weniger denn alles will, setzte er Strawinskis „Petruschka“ und „Feuervogel“ an. Ein intensiv forderndes Programm.
„Petruschka“ sieht Tanztheaterchef Gasa Valga als das, was es ist: eine Jahrmarkt-Burleske. Voll Ironie und Reduziertheit, eine Geschichte zwischen drei Puppen, die Ballerina auf der Spitze, Mohr und Petruschka naturgemäß mehr turnend als tanzend. Ihr Aktionsradius beschränkt sich auf ihre Kiste, ein bekletterbares Gestänge-Geviert. Da flattert die Ballerina, da entwickelt Petruschka akrobatisch eine Schläue, die ihm, dem Verlierer, zuletzt den Sieg sichert. Die Petruschkas sind zum Auferstehen geboren. Jeshua Costa, Léo Maindron, Lara Brandi und Paolo Giglio haben die Kraft und den Humor für das Stück. Serena Stella und John Groos, fulminant an zwei Klavieren, sind der Motor für das Körperspiel.
„Der Feuervogel“ ist dem Choreografen Pierre Wyss zugeflogen. Er holt das Märchen vom guten Prinzen, der eine Schöne vor dem bösen Zauberer rettet, in die Gegenwart. Im ideologisch gebundenen Staat des Tyrannen (Gabriel Marseglia) und seiner Soldaten sind die Frauen, mit Burka-Anspielung, in lange, schwarze Gewänder gehüllt, bis zur Misshandlung unterdrückt. Nur eine – die ausdrucksstarke Marie Stockhausen als Feuervogel – widersetzt sich, auch über ihre Entstellung und Vergewaltigungen hinweg. Sie wird zum „Geist der Revolution“. Die Frauen begreifen, stehen auf, ihr Mut wird niedergeschlagen wie der „gute Mann“ – lyrisch: Albert Nikolli –, aber Geist und Kraft der Revolution kehren wieder – immer. Wyss inszeniert kompromisslose Männerhärte und Sehnsuchtsbewegungen der Frauen – etwas ostentativ das Ganze, aber im realen Gegenwartsschock kommt die Botschaft an.
Nach gut 100 Jahren wird „Sacre“ hartnäckig mit „Opfer“, nicht mit „Weihe“ übersetzt. Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter Francesco Angelicos betont präziser Stabführung im Bühnenhintergrund präsent und schon im „Feuervogel“ glänzend zur Stelle, gibt mit den Bruitismen, den Widerhaken und weichen Momenten, was diesem starken Stück gebührt – man möchte es gleich nochmals hören. Gasa Valga hat selbst Hand angelegt, geht rhythmisch bis zur Synchronität mit der Musik. Da geht zunächst nicht viel auf, die je acht Tänzer und Tänzerinnen mischen sich wie improvisatorisch auf zu kleinem Raum. Imposant die überdimensionalen Pelzmäntel, aus denen sich die Frauen zum Leben schälen. Die Männer seilen sich spektakulär von hohen, felsschwarzen Schrägen ab. Helfried Lauckners Bühnenbilder tragen entscheidend zur inhaltlichen Gestaltung bei, auch Andrea Kuprians Kostüme haben hier ihren Höhepunkt.
Mit dem weißen Paar intensiviert sich die Choreografie, wird immer stärker. Ins hämmernde, beengte Chaos bricht die Liebe, die Freiheit, das andere Denken ein. Das wird, nicht zuletzt durch verkrustete Traditionen (300-jährige Frau), bis zur Tötung der jungen Frau verhindert. Die virtuose Mohana Rapin (Opfer) und ihr melodiöser Geliebter (Samuel Maxted) sowie Leoannis Pupo-Guillen und Marie Stockhausen bringen wie die gesamte Companie hohe Qualität ein.