„Schulgebet kehrt zurück“ - Debatte um Religionsunterricht in Spanien

Madrid (APA/dpa) - In Spanien ist eine heftige Debatte über den Religionsunterricht an den Schulen entbrannt. Die Lehrpläne lösten eine Well...

Madrid (APA/dpa) - In Spanien ist eine heftige Debatte über den Religionsunterricht an den Schulen entbrannt. Die Lehrpläne lösten eine Welle von Protesten aus. Sie werden nach einem Konkordat mit dem Vatikan nicht vom Bildungsministerium erstellt, sondern von der katholischen Kirche.

„Die Schöpfung ist ein Geschenk Gottes.“ So steht es in den Lehrplänen für den Religionsunterricht an spanischen Schulen. Den Kindern soll danach beigebracht werden, dass ein Mensch auf sich allein gestellt und ohne Gott nicht zum Glück finden könne. Die im Amtsblatt veröffentlichte Verordnung der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy über das Schulfach Religion löste eine Serie von Protesten aus.

„Der Staat unterwirft sich der katholischen Kirche“, beklagte die Opposition der Sozialisten. Die Gewerkschaft der Religionslehrer (USIT) kritisierte, die Kinder würden in unzulässiger Weise indoktriniert. Der Theologe und Kirchenkritiker Juan Jose Tamayo meinte: „Die Inhalte des Religionsunterrichts weisen einen Trend zum Fundamentalismus auf.“ Die Zeitung „El Periodico“ bezeichnete das Konzept als „völlig veraltet“ und prophezeite: „Nun kehrt das Schulgebet in die Klassenzimmer zurück.“

Bildungsminister Jose Ignacio Wert wies jede Verantwortung von sich. Seine Zuständigkeit habe allein darin bestanden, die Verordnung über die Lehrpläne ins Amtsblatt zu stellen. Was im Fach Religion an den spanischen Schulen unterrichtet wird, bestimmt nicht die Regierung, sondern die katholische Kirche. So sieht es das Konkordat zwischen Spanien und dem Vatikan aus dem Jahr 1979 vor.

Allerdings hatte die Regierung das Fach vor gut einem Jahr in einer Bildungsreform kräftig aufgewertet. Sie schaffte die von den Sozialisten eingeführte Staatsbürgerkunde ersatzlos ab und machte Religion zu einem Hauptfach. Die Noten zählen so viel wie die für Mathematik, Spanisch oder Englisch. Die Schulen müssen Religion als Fach anbieten, die Teilnahme ist aber nicht Pflicht. Die Schüler können als Alternative auch das Fach „Soziale und ethische Werte“ wählen.

Die Teilnahme am Religionsunterricht war im katholischen Spanien in letzter Zeit stark zurückgegangen. An den Grundschulen sank der Anteil der Schüler, die sich für das Fach Religion entschieden, nach einem Bericht des Radiosenders Cadena Ser in einem Jahrzehnt von 79 auf 65 Prozent und an den weiterführenden Schulen von 56 auf 38 Prozent.

Dieser Trend soll mit der Reform und der Aufwertung des Religionsunterrichts umgekehrt werden. Experten meinten allerdings, dass damit auch das Gegenteil bewirkt werden könnte. „Nach Umfragen ist die große Mehrheit der jungen Leute in Spanien der Meinung, dass die Religion in den Bereich der Privatsphäre gehört“, sagte der Soziologe Juan Gonzalez-Anleo. „Es ist daher nicht auszuschließen, dass einige Familien und Schüler die Reform als eine Bevorzugung der Kirche sehen und in einer Gegenreaktion das Fach Religion abwählen.“

In der Region Katalonien empfahl der Elternverband Fapac, aus Protest gegen die - von der Bischofskonferenz erstellten - Lehrpläne den Religionsunterricht zu boykottieren und das Alternativfach „Soziale und ethische Werte“ zu wählen.

Die katholische Kirche wies die Proteste gegen die Lehrpläne zurück. „Die Angriffe sind ein Versuch, die Kirche im öffentlichen Leben an den Rand zu drängen“, sagte Jose Miguel Garcia, Direktor des Sekretariats der Bischofskonferenz, der Zeitung „ABC“. „Wer gegen den Religionsunterricht ist, wendet sich gegen das Recht der Eltern, nach ihrem Glauben frei über die Ausbildung ihrer Kinder zu entscheiden.“